Körperliche Selbstbestimmung und reproduktive Gesundheit

Symbolbild: Ein Scherenschnitt aus Papier zeigt eine Familie (eine Frau, ein Mann und zwei Kindern)
Symbolbild: Scherenschnitt einer Familie aus Papier

Sich in allen Dingen, die den Körper, die Sexualität und die Familienplanung betreffen, selbstbestimmt und ohne Zwang entfalten zu können, ist ein wichtiges Menschenrecht: Alle Menschen haben das Recht auf körperliche Unversehrtheit, jede Frau, die ein Kind erwartet, hat das Recht auf eine sichere Schwangerschaft und Geburt. Jedes Kind hat das Recht auf einen gesunden, medizinisch betreuten Start ins Leben. Alle Menschen haben das Recht, frei zu bestimmen, ob, wann und mit wem sie eine Beziehung eingehen oder Kinder haben wollen. Und alle haben das Recht, lebenslang ein befriedigendes Sexualleben führen zu können und dabei vor Diskriminierung, Missbrauch und sexuell übertragbaren Krankheiten geschützt zu sein.

Titelblatt: Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte stärken

Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte stärken

Die BMZ-Initiative „Selbstbestimmte Familienplanung und Müttergesundheit“

Dateityp PDF | Sachstandsdatum 06/2022 | Dateigröße 6 MB, Seiten 51 Seiten | Zugänglichkeit barrierefrei

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) engagiert sich umfassend dafür, dass diese Menschenrechte weltweit verwirklicht werden. In der Entwicklungszusammenarbeit werden alle Aspekte dieses Arbeitsbereiches unter dem Fachbegriff „Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“ (SRGR (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)) zusammengefasst.

Durch den Ansatz der feministischen Entwicklungspolitik stärkt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit die Möglichkeiten von Frauen und Mädchen, selbstbestimmt über ihr Leben entscheiden zu können: Sie verbessert ihren Zugang zu Aufklärung und Informationen, zu Verhütungsmitteln sowie zu Gesundheitsdiensten, die eine professionelle Betreuung rund um Schwangerschaft und Geburt ermöglichen. Das kommt der gesamten Gesellschaft zugute und macht sie gerechter, nachhaltiger und erfolgreicher.


Entwicklungsministerin Svenja Schulze während ihrer Rede bei der Dialogveranstaltung „Mehr als nur ein ‚Frauenthema‘ – Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte als Schlüssel feministischer Entwicklungspolitik“ im BMZ in Berlin
Körperliche Selbstbestimmung muss selbstverständlich sein – für alle.
Svenja Schulze Bundesentwicklungsministerin

Hintergrund Zahlen und Fakten

Die Menschenrechte im Bereich der reproduktiven Gesundheit, Sexualität und Familienplanung sind bei weitem nicht für alle gesichert. Frauen, Mädchen und LSBTIQ+-Personen (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) sind besonders stark betroffen:

  • Täglich sterben nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) fast als 800 Frauen an Komplikationen während der Schwangerschaft und Geburt. Das sind etwa 290.000 pro Jahr – mehr als 90 Prozent dieser Todesfälle ereignen sich in Ländern des Globalen Südens (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen).
  • Laut einer wissenschaftlichen Studie sind weltweit rund 50 Prozent aller Schwangerschaften unbeabsichtigt. Sechs von zehn ungeplanten Schwangerschaften werden abgebrochen – davon fast die Hälfte unter gefährlichen Bedingungen. Ein maßgeblicher Anteil der Müttersterblichkeitsfälle steht im Zusammenhang mit nicht fachgerecht durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen.
  • Schätzungsweise 270 Millionen Frauen weltweit, die eine Schwangerschaft vermeiden möchten, haben keinen Zugang zu modernen Mitteln der Familienplanung.
  • Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass mehr als 200 Millionen Mädchen und Frauen in Asien, dem Mittleren Osten und Afrika von einer Genitalverstümmelung (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) betroffen sind.
  • Viele Mädchen und Frauen erleiden sexualisierte oder physische Gewalt – Schätzungen der WHO deuten darauf hin, dass weltweit fast ein Drittel aller Frauen im Laufe ihres Lebens davon betroffen sind.
  • In 67 Ländern sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften unter Strafe gestellt. In elf dieser Länder kann sogar die Todesstrafe verhängt werden.
  • Weltweit heiraten jedes Jahr rund zwölf Millionen Mädchen unter 18 Jahren. Für die meisten Mädchen bedeutet dies das Ende ihrer Ausbildung. Frühe Geburten wirken sich negativ auf ihre Gesundheit und die ihrer Kinder aus.
  • 2021 infizierten sich etwa 1,5 Millionen Menschen neu mit HIV. Besonders betroffen sind junge Frauen, Männer, die Sex mit Männern haben, Menschen, die Drogen nehmen, Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter und deren Klienten, Menschen in Gefängnissen und Personen mit Transgeschlechtlichkeit.
  • In vielen Ländern ist der Zugang zu Impfstoffen, die gegen sexuell übertragbare Infektionen mit den krebsauslösenden Humanen Papillomviren (HPV) oder Hepatitis-B-Viren schützen können, stark eingeschränkt.
Wartende Patientinnen in der Geburtsstation des Nkhoma-Krankenhauses in Malawi. Zahlreiche Frauen, manche von ihnen sichtbar schwanger, sitzen auf dem Boden einer langgestreckten Veranda.

Wartende Patientinnen in der Geburtsstation des Nkhoma-Krankenhauses in Malawi

Wartende Patientinnen in der Geburtsstation des Nkhoma-Krankenhauses in Malawi

Deutsches Engagement Weltweit für körperliche Selbstbestimmung und reproduktive Gesundheit

Standbild aus dem Video "Mehr als nur ein 'Frauenthema' - Highlights der Dialogveranstaltung am 26.04.2023 im BMZ Berlin"

Video Mehr als nur ein „Frauenthema“ – Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte als Schlüssel feministischer Entwicklungspolitik

Highlights der Dialogveranstaltung am 26. April 2023 im BMZ Berlin

Deutschland setzt sich für körperliche Selbstbestimmung und das Recht jedes Menschen auf sexuelle und reproduktive Gesundheit ein. Richtungsweisend für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit sind das Aktionsprogramm der Kairoer Weltkonferenz von 1994 (Externer Link) sowie die Ergebnisse der Guttmacher-Lancet-Kommission (Externer Link) (beides englisch).

In Kairo entschied sich die Staatengemeinschaft, auf einen politischen Ansatz überzugehen, der sich weniger an der Bevölkerungspolitik von Staaten als am einzelnen Menschen und seinen Rechten orientiert.

Der Schutz dieser Rechte ist nicht nur wichtig für jede Einzelne und jeden Einzelnen. Er hat auch positive Wirkungen auf ganze Gesellschaften. So haben umfassende Sexualaufklärung und der Zugang zu selbstbestimmter Familienplanung in der Regel auch einen Einfluss auf die Geburtenraten.

Für viele Entwicklungsländer ist es eine große Herausforderung, ihrer wachsenden Bevölkerung gute Lebensbedingungen zu ermöglichen. Ein langsameres Bevölkerungswachstum kann für die Menschen in diesen Ländern die Chance auf eine bessere Zukunft erhöhen. Gleichzeitig stellen junge Menschen eine große Ressource für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung dar. Gezielte Investitionen in Gesundheit, Bildung und Beschäftigung sowie Rechtssicherheit für junge Frauen und Männer ermöglichen eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung und die Chance für beschleunigtes wirtschaftliches Wachstum.

Internationale Zusammenarbeit

SDG 3: Gesundheit und Wohlergehen

Gemeinsam mit ihren Partnern hat sich die Bundesregierung intensiv dafür eingesetzt, dass das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und die Verbesserung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit in den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) verankert wird (Sustainable Development Goals, SDGs). Dies ist in großen Teilen gelungen: Die Thematik wurde in SDG 3 (Gesundheit und Wohlergehen) und in SDG 5 (Geschlechtergleichheit) aufgenommen.

Ein wichtiger Schwerpunkt des Entwicklungsziels 3 zu Gesundheit liegt darauf, die Zahl der Todesfälle von Müttern, Neugeborenen und Kindern weiter zu vermindern. Auch die Beendigung der HIV-Epidemie ist Teil des dritten Entwicklungsziels.

SDG 5: Geschlechter­gleichheit

Das SDG 5 enthält ambitionierte Unterziele zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Bekämpfung von geschlechtsbasierter Gewalt. Dazu gehört, dass Praktiken wie die weibliche Genitalverstümmelung oder Kinderheirat beendet werden.

Die Bundesregierung setzt sich zusätzlich auch für Aspekte der sexuellen und reproduktiven Gesundheit ein, die nicht in die Ziele für nachhaltige Entwicklung aufgenommen wurden. Dazu gehören der Zugang von Jugendlichen zu umfassender Sexualaufklärung und die Beendigung jeglicher Diskriminierung wegen der persönlichen sexuellen Orientierung.

Große Fortschritte und vielversprechende Ansätze

Symbolbild: Eine Hebamme arbeitet an ihrem Schreibtisch
Symbolbild: Eine Hebamme arbeitet an ihrem Schreibtisch

Obwohl noch zahlreiche Herausforderungen bestehen, wurden in vielen Bereichen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit große Fortschritte erreicht. Einige Beispiele:

  • Die Zahl der Todesfälle von Müttern in Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt ist zwischen 2000 und 2020 um 34 Prozent gesunken. Dies wurde vor allem durch einen verbesserten Zugang zu Gesundheitsdiensten und zu professioneller Geburtsbegleitung erreicht.
  • Immer mehr Menschen erhalten Zugang zu Informationen über Methoden der Familienplanung und zu umfassender Sexualaufklärung. Die Zahl der Frauen, die moderne Familienplanungsmethoden verwenden, hat sich von 1990 bis 2021 fast verdoppelt – von 467 Millionen auf 874 Millionen.
  • Durch die Kombination von verschiedenen Präventionsmethoden und durch eine Ausweitung der antiretroviralen Therapie von Infizierten wurde die Zahl der Neuinfektionen mit HIV und die Zahl der Todesfälle durch Aids stark verringert.

Das Zusammenspiel verschiedener Faktoren hat die Fortschritte im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit möglich gemacht. Dazu gehören die Entwicklung von neuen oder wirksameren Medikamenten und Methoden zur Prävention, Diagnostik oder Behandlung, sowie ihre Verbreitung, genauso wie die Ausbildung von Fachkräften und andere Maßnahmen zur Stärkung von Gesundheitssystemen.

Wichtig ist auch eine gute und engagierte Regierungsführung, die das Recht auf Selbstbestimmung fördert, Korruption und Ineffizienz minimiert, Bürger und Patienten beteiligt und die richtigen Ziele formuliert und konsequent verfolgt. Dabei dürfen sich die Bemühungen nicht auf den Gesundheitssektor beschränken, sondern müssen auch andere Bereiche einschließen. So hat insbesondere der Zugang von Mädchen zu Bildung vielfältige positive Wirkungen auf ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit und stärkt gleichzeitig ihre Rechte und Teilhabe.

Umfassendes deutsches Engagement für körperliche Selbstbestimmung und Gesundheit

Online-Kurs Population dynamics – an introduction Externer Link

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hat gemeinsam mit dem Weltbevölkerungsfonds (UNFPA) einen E-Learning-Kurs zum Thema Bevölkerungsdynamik und nachhaltige Entwicklung entwickelt. Er wird auf der Plattform „atingi“ in englischer Sprache angeboten.

Der Schutz des Rechts auf körperliche Selbstbestimmung, die Förderung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit sowie der Zugang zu Informationen und Diensten im Bereich der Familienplanung sind wichtige Ziele der deutschen Entwicklungspolitik.

Die Initiative „Selbstbestimmte Familienplanung und reproduktive Gesundheit für alle“ bündelt viele Programme der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Zwischen 2011 und 2022 wurden dafür knapp 1,3 Milliarden Euro zugesagt, vor allem für Maßnahmen zur Vermeidung unbeabsichtigter Schwangerschaften und zur Förderung sicherer Schwangerschaften und Geburten.

Zurzeit werden im Rahmen der Initiative mehr als 20 Partnerländer in Afrika und Asien unterstützt. Weitere Länder werden durch Regionalvorhaben und die Arbeit von kirchlichen und anderen Nichtregierungsorganisationen erreicht. Beispielsweise erhielten dank der Initiative bis 2022 rund 44 Millionen Paare Zugang zu modernen Verhütungsmitteln und konnten unbeabsichtigte Schwangerschaften verhindern. Die Initiative wurde bis 2025 verlängert.

Logo des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA)

Das BMZ unterstützt außerdem wichtige internationale Partner in diesem Bereich. Dazu zählt der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA). Er setzt sich für die Senkung der Müttersterblichkeit und die Beendigung geschlechtsbasierter Gewalt sowie für einen allgemeinen Zugang zu Familienplanung ein. 2023 erhielt der UNFPA rund 50 Millionen Euro.

Zudem unterstützt das BMZ die Internationale Föderation für Familienplanung (International Planned Parenthood Federation (Externer Link), IPPF). Die Mitgliedsorganisationen dieses Dachverbands ermöglichen Menschen in 170 Ländern direkten Zugang zu Methoden der Familienplanung und zu Gesundheitsdiensten. Die IPPF ist international eine wichtige Stimme für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte.

Deutschland ist außerdem ein wichtiger Geber für große Gesundheitsfonds, etwa für die Global Financing Facility (Externer Link) (GFF), die Impfallianz GAVI (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) oder den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM).

Siehe auch
Titelblatt: Dritter entwicklungspolitischer Aktionsplan zur Gleichstellung der Geschlechter (2023–27)

Dritter entwicklungspolitischer Aktionsplan zur Gleichstellung der Geschlechter (2023–27)

Dateityp PDF | Sachstandsdatum 12/2023 | Dateigröße 719 KB, Seiten 36 Seiten | Zugänglichkeit barrierefrei

Zwischen 2002 und 2023 hat Deutschland über 4,8 Milliarden Euro in den GFATM eingezahlt und ist damit viertgrößter staatlicher Geber des Fonds. Das Engagement der Impfallianz GAVI für Grundimmunisierung und Gesundheitssystemstärkung hat Deutschland seit 2006 mit mehr als 1,36 Milliarden Euro unterstützt.

Während der Corona-Pandemie hat Deutschland zusätzlich einen Mechanismus der Impfallianz zur Finanzierung von Covid-19-Impfstoffen (Covid-19 Vaccines Advance Market Commitment, COVAX AMC) mit 1,39 Milliarden Euro unterstützt. Insgesamt belaufen sich Deutschlands Beiträge damit auf 2,75 Milliarden Euro. In der aktuellen Strategieperiode von GAVI (2021–2025) ist Deutschland der drittgrößte staatliche Geber der Impfallianz.

Zusammenarbeit konkret Tansania: Verbesserung der Frauengesundheit und Selbstbestimmung

Giraffen in einem Nationalpark in Tansania

Tansania gehört zu den Ländern mit der höchsten Müttersterblichkeit und weist auch hohe Geburtenraten unter Teenagerinnen auf. Das stellt ein großes Risiko für die jungen Frauen dar, denn frühe Schwangerschaften sind medizinisch risikoreicher. Zudem sind sie öfter ungeplant und führen häufiger zu gefährlichen – und in Tansania illegalen – Abtreibungen. Die mangelhafte Qualität der Gesundheitsversorgung wirkt sich außerdem negativ auf die Neugeborenen aus.

Um diesen Herausforderungen entgegenzuwirken, unterstützt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Tansania seit 2019 dabei, die Geburtshilfe und die medizinische Versorgung von Neugeborenen zu verbessern.

In acht Krankenhäusern und acht Gesundheitszentren der Region Tanga nehmen Fachkräfte an Fortbildungen zu geburtshilflicher Notfallversorgung, Neugeborenenversorgung und Familienplanung teil. Dadurch wird die Qualität und Effizienz der Versorgung verbessert und die Zahl der Todesfälle von Müttern und Neugeborenen gesenkt.

Darüber hinaus steht die sexuelle Aufklärung von jungen Menschen, insbesondere von Mädchen, im Mittelpunkt. Inhalte werden dabei auch digital angeboten. In den unterstützten Gesundheitseinrichtungen werden außerdem jugendfreundliche Dienste gefördert.

Insgesamt verfolgt das Projekt das Ziel, die Gesundheit und die Lebensbedingungen der Frauen in Tansania nachhaltig zu verbessern und ihnen eine selbstbestimmte Zukunft zu ermöglichen.

Stand: 18.12.2023