Hintergrund Gesundheit und Gender: Zahlen und Fakten
Wartende Patientinnen in der Geburtsstation des Nkhoma-Krankenhauses in Malawi
In vielen Ländern wird der Zugang zu Gesundheitsleistungen durch genderspezifische Hindernisse erschwert. Zum Beispiel sind es häufig Männer, die als Familienvorstand darüber entscheiden, ob weibliche Familienmitglieder und Kinder eine Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen dürfen oder nicht. Vielen Frauen ist es verwehrt, sich allein auf den Weg zu einem Krankenhaus zu begeben. Gleichzeitig können unbezahlte häusliche Betreuungs- und Haushaltsarbeiten, die immer noch überwiegend von Frauen geleistet werden, die seelische und körperliche Gesundheit erheblich belasten.
Die Situation in den Entwicklungsländern
Müttersterblichkeit
2020 starben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)) etwa 287.000 Frauen an Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt – das sind 786 am Tag. Fast 95 Prozent der schwangerschaftsbedingten Todesfälle ereigneten sich in Ländern mit niedrigem oder niedrigem mittlerem Einkommen – die meisten davon hätten verhindert werden können. Mehr als die Hälfte der Todesfälle bei werdenden Müttern traten in fragilen Staaten (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) oder humanitären Notlagen auf.
Bei gleichbleibendem Trend wird die weltweite Müttersterblichkeit 2030 noch bei etwa 222 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten liegen – und damit um mehr als das Dreifache über der Zielvorgabe der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) (Unterziel 3.1: „unter 70 je 100.000 Lebendgeburten“; zum Vergleich die entsprechende Zahl aus Deutschland aus dem Jahr 2020: vier Todesfälle).
Der Anteil der Geburten, die von medizinischem Fachpersonal betreut wurden, stieg zwischen 2015 und 2023 weltweit von 80 auf 86 Prozent. Doch diese positive Entwicklung ist ins Stocken geraten – 2023 wurden 18 Millionen Geburten nicht fachgerecht betreut.
Familienplanung
Nach Angaben der Vereinten Nationen verwendeten 2021 von den weltweit 1,9 Milliarden Frauen im gebärfähigen Alter (15 bis 49 Jahre) etwa 874 Millionen moderne Verhütungsmethoden (beispielsweise Hormonpräparate wie die Pille, Hormonimplantate oder -spiralen oder hormonfreie Verhütungsmittel wie Kondome, Kupferspiralen oder Diaphragmen).
2023 hatten geschätzte 257 Millionen Frauen einen ungedeckten Bedarf an Verhütungsmitteln. Zu den Gründen dafür zählen der eingeschränkte Zugang – vor allem von jungen, ärmeren und unverheirateten Menschen – zu Gesundheitsdiensten, eine begrenzte Auswahl an Verhütungsmethoden, die Angst vor Nebenwirkungen sowie traditionelle oder religiöse Vorbehalte. Nach Schätzungen kommt es jährlich zu mehr als 120 Millionen unbeabsichtigten Schwangerschaften. 2023 wurde weltweit etwa jedes zehnte Kind von einer jugendlichen Mutter (10 bis 19 Jahre) zur Welt gebracht.
Infektionskrankheiten
Mädchen und Frauen kommen häufig nur schwer an Informationen zu Sexualität, Familienplanung und zu sexuell übertragbaren Krankheiten. Auch der Zugang zu Vorsorge-, Test- und Impfangeboten sowie zu medizinischer Behandlung ist ihnen oft versperrt. Sie sind daher einem erhöhten Risiko ausgesetzt, zum Beispiel an HIV (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) oder anderen sexuell übertragbaren Krankheiten zu erkranken. So sind in vielen afrikanischen Ländern südlich der Sahara mehr als dreimal so viele heranwachsende Mädchen und junge Frauen (15 bis 24 Jahre) mit HIV infiziert als gleichaltrige Jungen und Männer.
Im Vergleich zu HIV-negativen Frauen haben HIV-positive Frauen ein sechsmal höheres Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken. Von den rund 350.000 Frauen, die jährlich an dieser Krebsart sterben, lebt die Mehrzahl in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen.
Gesundheitsfachkräfte
Frauen stellen weltweit etwa zwei Drittel des Gesundheits- und Pflegepersonals. Häufig arbeiten sie jedoch in Positionen mit niedrigem Status und geringer Bezahlung, etwa als Krankenpflegerinnen oder Hebammen. Gleichzeitig leisten Frauen drei Viertel der unbezahlten Pflegearbeit. Nach Schätzungen haben dadurch mehr als 600 Millionen Frauen im arbeitsfähigen Alter keine Möglichkeit, einer bezahlten Tätigkeit nachgehen. Laut WHO entsprechen diese unbezahlten Beiträge zur weltweiten Gesundheitsversorgung einem Wert von 1,5 Billionen US-Dollar pro Jahr.
Forschung und Frauengesundheit
Lange Zeit wurden medizinische Studien ausschließlich mit männlichen Versuchspersonen erstellt, die Ergebnisse hinterher aber auch auf Frauen angewandt. Auch heute noch gehen manche Lehrpläne im Medizinstudium zu wenig auf geschlechtsspezifische Unterschiede ein – Standard ist noch sehr oft die Physiologie eines 70 Kilo schweren, weißen Mannes. Unterschiede im Stoffwechsel, die zum Beispiel die Wirksamkeit von Medikamenten beeinflussen, bleiben daher unberücksichtigt. Außerdem führen Unterschiede in der diagnostischen Bewertung von Männern und Frauen dazu, dass Krankheiten bei Frauen häufiger spät erkannt oder falsch behandelt werden.
In der Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln, die gezielt die Bedürfnisse von Frauen und Mädchen berücksichtigen, sind Frauen unterrepräsentiert. Obwohl ähnlich viele Männer und Frauen mit entsprechenden Hochschulabschlüssen in den Beruf einsteigen, sind weniger als 30 Prozent der Führungspositionen in globalen Pharmaunternehmen von Frauen besetzt.
Klima und Gesundheit
Frauen und andere vulnerable (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) Gruppen wie LSBTIQ+ (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) sind unverhältnismäßig stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Bei Extremwetterereignissen wie Dürren, Überschwemmungen und Stürmen sterben weltweit mehr Frauen als Männer. Auch von den längerfristigen Folgen des Klimawandels auf die Gesundheit sind sie stärker betroffen, etwa von Ernährungsunsicherheit, Wassermangel, der Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie Malaria und auch von der Zunahme psychischer Erkrankungen.
Digitale Technologien im Gesundheitswesen
Digitale Lösungen bieten die Chance, auch gesellschaftlich benachteiligte Bevölkerungsgruppen mit Gesundheitsinformationen und medizinischen Dienstleistungen zu erreichen. Beispielsweise können Smartphone-Apps Hebammen und anderen medizinischen Fachkräften dabei helfen, Handlungsanleitungen und Informationen zu den häufigsten Komplikationen im Zusammenhang mit Geburt und Schwangerschaft zu erhalten. Allerdings ist der Sektor weltweit von Geschlechterungleichheit geprägt. Insbesondere in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen haben Frauen oft nur begrenzten Zugang zu digitalen Technologien. Auch in IT-Berufen sind sie stark unterrepräsentiert, was dazu führt, dass digitale Anwendungen oft nicht den Bedürfnissen von Frauen entsprechen .
Fortschritte und vielversprechende Ansätze
In vielen Bereichen der Gesundheit wurden bedeutende Fortschritte erzielt: Gesundheitssysteme wurden gestärkt, innovative und effektivere Medikamente sowie Behandlungsmethoden wurden entwickelt und Fachkräfte wurden ausgebildet. Das gilt auch für die sexuelle und reproduktive Gesundheit.
Die Zahl der schwangerschaftsbedingten Todesfälle sank zwischen 2000 und 2020 um 34 Prozent. Erreicht wurde dies vor allem durch einen verbesserten Zugang zu Gesundheitsdiensten und zu professioneller Geburtsbegleitung. Immer mehr Menschen haben außerdem die Möglichkeit, sich über Methoden der Familienplanung zu informieren. Die Zahl der Frauen, die moderne Verhütungsmittel verwenden, hat sich von 1990 bis 2021 fast verdoppelt – von 467 Millionen auf 874 Millionen.
Durch die Kombination von verschiedenen Präventionsmethoden und eine Ausweitung der Therapie mit virushemmenden Medikamenten wurde die Zahl der HIV-Neuinfektionen und die Zahl der Todesfälle durch Aids stark verringert (siehe auch: HIV und Aids).
Wichtig ist eine gute und engagierte Regierungsführung, die das Recht auf Selbstbestimmung fördert, Korruption und Ineffizienz bekämpft, Bürgerinnen und Bürger beteiligt und Ziele konsequent verfolgt. Dabei dürfen sich die Bemühungen nicht auf den Gesundheitssektor beschränken, sondern müssen auch andere Bereiche einschließen. So hat insbesondere der Zugang von Frauen und Mädchen zu Bildung vielfältige positive Wirkungen auf ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit und stärkt gleichzeitig ihre Rechte und Teilhabe.
Stand: 25.02.2025