Politische Situation Defizite bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

Nach der traumatischen Erfahrung des Genozids 1994 sind Stabilität und Sicherheit die vorrangigen Ziele der ruandischen Regierung. Neben wirtschaftlichen und sozialen Erfolgen sind jedoch ausgeprägte Defizite in den Bereichen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verzeichnen.

Blick auf Kigali vom Kigali Genocide Memorial Centre

Blick auf Kigali vom Kigali Genocide Memorial Centre

Blick auf Kigali vom Kigali Genocide Memorial Centre

Im Rahmen der Agenda 2063 (Externer Link) der Afrikanischen Union hat sich Ruanda zu guter Regierungsführung, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie Respektierung der Menschenrechte bekannt. Auch hat das Land die wichtigsten internationalen Menschenrechtsverträge unterzeichnet. Daran muss sich die ruandische Regierung messen lassen.


Ehrgeizige Ziele

Die Entwicklungsstrategien der ruandischen Regierung verfolgen das Ziel, den Anteil der armen Menschen deutlich zu senken und ein starkes Wirtschaftswachstum zu erreichen.

Mit ihrer „Vision 2050 (Externer Link)“ hat die Regierung das ehrgeizige Ziel formuliert, dass Ruanda bis zum Jahr 2035 in die Ländergruppe mit „gehobenem mittlerem Einkommen“ und bis 2050 in die Gruppe mit „hohem Einkommen“ aufsteigen soll. Dafür wäre allerdings ein durchschnittliches jährliches Wirtschaftswachstum von mehr als zehn Prozent nötig. Die aus ihrer Sicht erforderlichen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen hat die Regierung in ihrer Nationalen Transformationsstrategie 2017–2024 (Externer Link) festgehalten.

Demokratie und Menschenrechte

Die demokratische Entwicklung des Landes hat mit der sozio-ökonomischen Entwicklung bislang nicht Schritt gehalten. Die Meinungs-, Medien- und Vereinigungsfreiheit sind stark eingeschränkt, der Handlungsspielraum von Zivilgesellschaft (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) und parlamentarischer Opposition ist begrenzt. Die internationale Nichtregierungsorganisation Freedom House (Externer Link) bewertet Ruanda als „nicht frei“. 2023 veröffentlichte Human Rights Watch einen Bericht (Externer Link), der an zahlreichen Beispielen das repressive Klima dokumentiert.

Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen der vergangenen Jahre entsprachen nicht den internationalen demokratischen Standards. Von der internationalen Gemeinschaft bemängelt wurde insbesondere die Nichtzulassung oppositioneller Parteien und Kandidaten zu den Wahlgängen.

Frauenrechte

Die Regierung setzt sich für Geschlechtergerechtigkeit ein. Die Rechte von Frauen auf Landbesitz, Erbschaft, Scheidung und Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt wurden gesetzlich verankert.

Während viele Frauen auf dem Land traditionsbedingt noch benachteiligt sind, haben Frauen auf der Ebene der nationalen Politik großen Anteil an Entscheidungsprozessen. Die Verfassung schreibt vor, dass mindestens 30 Prozent der Abgeordneten im Parlament weiblich sein müssen. Mit derzeit 61 Prozent hat die ruandische Volksvertretung den höchsten Frauenanteil weltweit. Wichtige Positionen in der Regierung und der Wirtschaft werden von Frauen besetzt.

Aufarbeitung des Genozids

Fotografien von Opfern des Völkermords im Kigali Genocide Memorial Centre. Die Fotos wurden von überlebenden Familienmitgliedern zur Verfügung gestellt, die an ihre Angehörigen erinnern wollen.

Fotografien von Opfern des Völkermords im Kigali Genocide Memorial Centre. Die Fotos wurden von überlebenden Familienmitgliedern zur Verfügung gestellt, die an ihre Angehörigen erinnern wollen.

Fotografien von Opfern des Völkermords im Kigali Genocide Memorial Centre. Die Fotos wurden von überlebenden Familienmitgliedern zur Verfügung gestellt, die an ihre Angehörigen erinnern wollen.

Am 7. April 2024 wurde zum 30. Mal des Völkermords an den Tutsi gedacht, mit hochrangiger internationaler Beteiligung. Die Traumata der Ereignisse, denen Schätzungen zufolge innerhalb von 100 Tagen über eine Million Menschen zum Opfer gefallen sind, prägen Politik und Gesellschaft bis heute. Das schwere Erbe des Genozids ist Schlüsselfrage zu allen Bereichen der Politik. Die Regierungspartei RPF zieht einen Gutteil ihrer Legitimation aus ihrer Rolle bei der Beendigung des Mordens. Sie bleibt dabei trotz beginnenden Generationswechsels in der Tradition einer aus einer Rebellenbewegung entstandenen Kaderpartei: uneingeschränkte Loyalität zum Staatspräsidenten, Sicherheit von Regime und Land haben oberste Priorität.

Stand: 05.06.2024