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Strukturbildende Übergangshilfe Resilienz stärken – Übergänge schaffen
Vor allem arme Bevölkerungsgruppen sind gewaltsamen Auseinandersetzungen und Naturkatastrophen oft schutzlos ausgeliefert. Meist können sie ihre zerstörten Lebensgrundlagen nicht aus eigener Kraft wiederaufbauen. Gleichzeitig sind Regierungen in den betroffenen Regionen häufig nicht in der Lage oder willens, die Bevölkerung zu schützen und den Wiederaufbau zu ermöglichen. Die Auswirkungen können durch Flucht und Vertreibung auf Nachbarländer übertreten.
In derartigen Situationen greift das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auf ein schnelles und flexibles Instrument zur Krisenbewältigung zurück: die strukturbildende Übergangshilfe. Ihr Ziel ist, die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) besonders stark betroffener Menschen und lokaler Strukturen nachhaltig zu stärken, damit sie bestehende Krisen selbstständig bewältigen und das Risiko neuer Krisen reduzieren können. So leistet die strukturbildende Übergangshilfe einen wichtigen Beitrag zur Prävention künftiger Krisen.
Mit der im Juli 2020 veröffentlichten neuen Strategie der strukturbildenden Übergangshilfe hat das BMZ einen klaren konzeptionellen und international anerkannten Rahmen gesetzt, um weiterhin auf die vielfältigen Herausforderungen der weltweiten multidimensionalen Krisen zu reagieren.
BMZ-Strategiepapiere
Englische und französische Versionen
Was wollen wir erreichen? Wiederaufbau und friedliches Zusammenleben fördern, Armut vermindern
Die strukturbildende Übergangshilfe des BMZ schlägt Brücken von der akuten humanitären Hilfe (Externer Link) zur langfristigen Entwicklungszusammenarbeit und leistet gleichzeitig einen Beitrag zur Friedensförderung. Diese enge Verzahnung stellt sicher, dass bereits die ersten Unterstützungsleistungen bei einer Krise den gesellschaftlichen Wiederaufbau und friedliches Zusammenleben nachhaltig fördern und Armut reduzieren. Nur so können Menschen sich frühzeitig eigenständig Perspektiven aufbauen und sind nicht immer wieder auf externe Hilfe angewiesen.
Die strukturbildende Übergangshilfe baut stets auf vorhandene Strukturen und dem Wissen der Bevölkerung vor Ort auf. Sie wird mit erfahrenen Partnern umgesetzt. Dazu zählen deutsche Nichtregierungsorganisationen, die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) (GIZ), die KfW Entwicklungsbank (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen), das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP).
Mit verbindlichen Regelungen setzt das BMZ seinen Partnerorganisationen einen Rahmen und sichert die Wirksamkeit der strukturbildenden Übergangshilfe.
Um Krisen wirksam zu bewältigen, konzentriert sich die strukturbildende Übergangshilfe auf vier zentrale Bereiche:
- Ernährungssicherung
- Wiederaufbau von Basisinfrastruktur und -dienstleistungen
- Katastrophenrisikominderung
- Friedliches und inklusives Zusammenleben
Der umfassende Ansatz der strukturbildenden Übergangshilfe verbindet die verschiedenen Bereiche, um die Lebensgrundlage betroffener Menschen so wirksam wie möglich zu verbessern.
Strukturbildende Übergangshilfe in der Praxis | Beispiel Corona-Pandemie Schnelle Reaktion auf aktuelle Krisen
In Ländern mit Krisen hat die Corona-Pandemie teils besonders katastrophale Auswirkungen und gefährdet die Lebensgrundlage vieler Menschen.
Die strukturbildende Übergangshilfe unterstützt schnell und flexibel dabei, die Verbreitung des Virus zu reduzieren und die negativen Folgen zu bewältigen. Die Umsetzungspartner passen ihre Programme in den vier zentralen Bereichen der strukturbildenden Übergangshilfe an die Pandemielage und die jeweiligen lokalen Umstände an.
Sie bauen die Kapazitäten im Gesundheitssektor aus, schulen Fachpersonal, sichern Ausbildungs- und Einkommensmöglichkeiten, verbreiten Informationskampagnen und stellen den Zugang zur Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung sicher. Seit Anfang 2020 können die Partner ihre Gelder auch gezielt dafür nutzen.
Die strukturbildende Übergangshilfe wirkt vorbeugend gegen die Corona-Auswirkungen und hilft den Menschen, sich an die Lage anzupassen. Die Maßnahmen unterstützen lokale Strukturen und stärken nachhaltig die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) insbesondere von Müttern, Kindern, Menschen auf der Flucht, aufnehmenden Gemeinden und weiteren Betroffenen.
Regionale Schwerpunkte
Die strukturbildende Übergangshilfe kommt in Ländern zum Einsatz, die von multiplen Krisen betroffen sind und in denen der Staat nicht allein in der Lage ist, die betroffene Menschen und Gemeinden zu unterstützen. Das Engagement konzentriert sich insbesondere auf Länder im Nahen Osten, in Ost- und Zentralafrika und in der Sahelregion.
Die nachfolgenden Factsheets geben Einblicke in die Arbeit der strukturbildenden Übergangshilfe und veranschaulichen, warum und wie das BMZ die Krisenbewältigung in einzelnen Ländern umfassend fördert. Warum ist die strukturbildende Übergangshilfe etwa im Irak, Somalia und in der Sahelregion tätig? Was benötigen die Menschen und Gemeinden vor Ort und wie werden diese erreicht?
Factsheets zum regionalen Engagement
Strukturbildende Übergangshilfe in der Praxis | Beispiel Ernährungssicherung Ernährung sichern und Einkommen schaffen in der Sahel-Region
Die Sahelregion ist gekennzeichnet von politischer Instabilität, anhaltenden Konflikten und Gewalt, Hunger, Armut, Bevölkerungswachstum und den Auswirkungen des Klimawandels wie Dürre und Wasserknappheit.
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) setzt in Mali, Mauretanien, Burkina Faso, Niger und Tschad ein umfassendes Programm um, die Sahel-Resilienz-Initiative. So werden die Ernährungs- und Lebensgrundlagen der Bevölkerung nachhaltig verbessert. Das Programm stattet beispielsweise die Schulkantinen mit Mahlzeiten aus, schafft Jobmöglichkeiten für Jugendliche und verbessert die Ernährung und Gesundheit von schwangeren und stillenden Müttern und ihren Kindern. Außerdem werden Flächen für die Landwirtschaft instandgesetzt und der Anbau von Nahrungsmittel an die Dürre angepasst.
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) fördert in Kooperation mit dem Welternährungsprogramm im Sahel zusätzlich Familien, Kinder und Jugendliche. Sie werden in den Bereichen Bildung, Ernährung, Wasser- und Sanitätsversorgung und Kinderschutz in Mali, Mauretanien und im Niger unterstützt.
Drei Millionen Menschen haben bereits von den Programmen der UN-Organisationen profitiert.
Video: Einblicke in die Programme im Sahel
Beispiel Niger Gemeinsam friedliches und inklusives Zusammenleben stärken
Das gemeinsame Programm vom Welternährungsprogramm (WFP) und Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) in Niger stärkt die Resilienz (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) der Menschen und fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Angriffe durch die Boko-Haram-Miliz, schwache staatliche Institutionen sowie sich verschärfende Konflikte um natürliche Ressourcen führen in Diffa in Niger zu Hunger, Unsicherheit und Vertreibung. Die sozialen Bindungen innerhalb von Familien, zwischen Generationen und ethnischen Gruppen wurden stark belastet oder zerrissen durch Gewalt, extreme Armut und Menschenrechtsverletzungen.
Das Welternährungsprogramm unterstützt die Bevölkerungsgruppen, besseren Zugang zu Land- und Wasserressourcen zu bekommen, indem zum Beispiel Anbauflächen und Bewässerungskanäle wiederhergestellt werden. Währenddessen unterstützt UNICEF die Gemeinden in der Gesundheitsvorsorge, Familienplanung und der Ernährung ihrer Kinder und verteilt beispielsweise angereicherte Nahrungsmittel. Mädchen profitieren ergänzend von Bargeldtransfers, welche die nötige Grundsicherung schaffen. So können sie zur Schule gehen, anstatt zu Hause für den Lebensunterhalt ihrer Familien zu arbeiten. In dem gemeinsamen Programm planen die Bevölkerungsgruppen die Dienste in ihrer Gemeinde mit. Das Programm unterstützt junge Menschen, sich für einen generationsübergreifenden Dialog einzusetzen, der Frieden fördert.
Die strukturbildende Übergangshilfe des BMZ beauftragt zunehmend Organisationen der Vereinten Nationen mit sogenannten „gemeinsamen Programmen“. Auch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) und lokale Partner bringen ihre Expertise und Erfahrung ein. Diese ergänzen sich gegenseitig und ermöglichen Synergien. In den gemeinsamen Programmen werden Maßnahmen aus verschiedenen Sektoren miteinander verknüpft, um die Nachhaltigkeit der Programme zu erhöhen.
Strukturbildende Übergangshilfe in der Praxis | Beispiel inklusives Zusammenleben Infrastruktur aufbauen und friedliches Zusammenleben fördern im Irak
Der Ausbruch der Syrienkrise und das Erstarken des sogenannten „Islamischen Staates“ führten zu einer enormen Fluchtbewegung in den Nordirak. Mehr als 1,4 Millionen Binnenvertriebene und rund 235.000 Geflüchtete aus Syrien überfordern die Infrastruktur der aufnehmenden Gemeinden; es können nicht alle Menschen gleichzeitig versorgt werden.
Mit der strukturbildenden Übergangshilfe erhalten sowohl die Geflüchteten als auch die lokale Bevölkerung verbesserten Zugang zu sauberem Wasser, medizinischer Grundversorgung und psychosozialer Beratung. Die Maßnahmen kommen mehr als sieben Millionen Menschen zu Gute. Auch Rückkehrende werden dabei unterstützt, Perspektiven in den zerstörten Gebieten zu entwickeln, die vom sogenannten „Islamischen Staat“ befreit wurden.
So werden Schulen und Krankenhäuser wiederaufgebaut und die landwirtschaftliche Produktion angekurbelt. Zum umfassenden Ansatz der strukturbildende Übergangshilfe gehört auch, das Konfliktpotenzial zwischen Einheimischen und Flüchtlingen zu verringern.
Der Dialog und das friedliche Zusammenleben aller vor Ort lebenden Religionen und Ethnien wird mit Hilfe der Maßnahmen gefördert. Dieser Ansatz folgt den Empfehlungen des neuen „Building for Peace“-Reports (Externer Link) der Weltbank.
Die Beispiele machen deutlich: Die strukturbildende Übergangshilfe des BMZ richtet den Blick nicht auf die Schwächen, sondern auf die Stärken von Menschen und Institutionen. So sichert sie Lebensgrundlagen, schafft Perspektiven und fördert friedliches und inklusives Zusammenleben.