Urheberrecht© GIZ/Sandra Voglreiter
Gesundheitssicherheit: Eine Aufgabe für die internationale Staatengemeinschaft
Die Ausbreitung von Krankheiten und anderen Gesundheitsgefahren erfolgt über nationale Grenzen hinweg und wird durch den zunehmenden Reise- und Handelsverkehr begünstigt. Die Gesundheitssicherheit kann daher nicht Aufgabe eines einzelnen Landes sein – sie ist eine Herausforderung für die gesamte Staatengemeinschaft. Dies beweist die aktuelle Pandemie der neuen Atemwegskrankheit COVID-19 eindrücklich.
Internationale Gesundheitsvorschriften der WHO
Um der internationalen Ausbreitung von akuten Gesundheitsgefahren vorzubeugen, sie zu überwachen und zu bekämpfen, wurden die Internationalen Gesundheitsvorschriften (Externer Link) (IGV, englisch: International Health Regulations) nach der SARS-Epidemie überarbeitet und 2005 von den Mitgliedsstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verabschiedet. 2007 traten sie weltweit in Kraft .
Die IGV sind völkerrechtlich bindende Rechtsregeln, die bei allen Ereignissen anwendbar sind, die eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen. Solche Ereignisse müssen der WHO innerhalb von 24 Stunden gemeldet werden.
In bestimmten Fällen wird ein Notfallkomitee mit externen Fachleuten einberufen. Sie prüfen alle wichtigen Informationen, zum Beispiel zu Art und Ursache der Krise, zur Zahl der Krankheits- und Todesfälle, zu Laborergebnissen und eingeleiteten Maßnahmen. Daraufhin gibt das Komitee dann Empfehlungen ab, durch welche Maßnahmen die Gesundheitskrise bewältigt werden könnte – etwa durch befristete Reise- und Handelsbeschränkungen. Die Empfehlungen der WHO sind jedoch rechtlich nicht verbindlich.
Außerdem kann solch ein Notfallkomitee empfehlen, eine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ (Public Health Emergency of International Concern, PHEIC) ausrufen. Die Generaldirektorin oder der Generaldirektor der WHO entscheidet dann – und ruft unter Umständen den Internationalen Gesundheitsnotstand aus. Der aktuelle Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus hat die Covid-19-Pandemie am 31.01.2020 zum Internationalen Gesundheitsnotstand erklärt.
Darüber hinaus unterstützt die WHO Länder dabei, Koordinations- und Reaktionszentren einzurichten und Notfallpläne aufzustellen.
Wachsende politische Bedeutung
Seit dem Ebolafieber-Ausbruch 2014 in Westafrika wird die Bedeutung der Internationalen Gesundheitsvorschriften auf internationaler Ebene stärker wahrgenommen und diskutiert. So verpflichteten sich die G7 (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)-Staaten 2015, 60 Länder bei der Umsetzung der Vorschriften zu unterstützen. Mittlerweile ist die Zahl auf 76 Länder gestiegen .
Während der deutschen Präsidentschaft 2017 wurde das Thema Gesundheitssicherheit auch erstmals im Kreis der G20 (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)-Staaten behandelt.
Außerdem wurde beschlossen, die Stärken und Schwächen einzelner Länder bei der Umsetzung der IGV neutral und standardisiert bewerten zu lassen und darauf aufbauend Aktivitäten zu definieren, die den Ländern helfen, ihre Epidemieprävention zu verbessern.
Während der aktuellen Covid-19-Pandemie unterstützt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) über Vorhaben der technischen und finanziellen Zusammenarbeit die Partnerländer bei der Reaktion auf das Virus, etwa bei der Labordiagnostik oder der Erstellung und Einübung von Notfallplänen. Der regionale Fokus dieser Maßnahmen liegt auf Afrika. Derzeit werden diese Maßnahmen der bilateralen und regionalen Zusammenarbeit aufgestockt.
Medikamente immer häufiger unwirksam
In Zukunft werden die Internationalen Gesundheitsvorschriften weiter an Bedeutung gewinnen, da sogenannte antimikrobielle Resistenzen (AMR) zunehmen. AMR entstehen, wenn Krankheitserreger gegen gängige Medikamente unempfindlich werden. Die Erreger können sich dann ungehindert vermehren und es wird immer schwieriger, die von ihnen ausgelösten Krankheiten zu behandeln.
Besonders dramatisch ist die Situation bei den Antibiotika: Der zu häufige und vermutlich teilweise unsachgemäße Einsatz hat dazu geführt, dass sie in immer mehr Fällen keine Wirkung mehr haben.
Deutschland leistet im Rahmen unterschiedlicher Gesundheitsprogramme einen Beitrag zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen. Unter anderem durch die Beteiligung an der Impfallianz Gavi (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) und am Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria.
Auch die BMZ-Initiative „Klinikpartnerschaften – Partner stärken Gesundheit“ widmet sich dem Thema Hygienemanagement und Patientensicherheit. Sieben aktuell laufende Klinikpartnerschaften (zwei in Gabun, je eine in Kenia, Ruanda, Äthiopien, Kamerun und Sierra Leone) befassen sich schwerpunktmäßig, in den jeweiligen Fachbereichen, mit AMR.
Im Kontext der aktuellen Covid-19-Pandemie ist die Suche nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in vollem Gang. Enge Partner Deutschlands, wie zum Beispiel die Impfallianz Gavi, können die globale Gemeinschaft bei der Herausforderung unterstützen, eine schnelle, gerechte und transparente Verteilung eines Impfstoffes weltweit zu gewährleisten, Gesundheitssysteme zu stärken und auf Krankheitsausbrüche wie die aktuelle Covid-19-Pandemie vorzubereiten.
Schnell einsetzbare Expertengruppe Gesundheit (SEEG )
Werden Ausbrüche von Infektionskrankheiten zu spät entdeckt, nicht erkannt oder falsch diagnostiziert, können viele Menschen erkranken oder gar sterben. In zahlreichen Partnerländern der Entwicklungszusammenarbeit sind die Gesundheitssysteme jedoch nicht in der Lage, solche Ausbrüche frühzeitig zu erkennen und unter Kontrolle zu bringen.
Deutschland trägt zur Verbesserung dieser Situation bei. Ein Baustein des deutschen Engagements ist die „Schnell einsetzbare Expertengruppe Gesundheit“ (SEEG), die vom BMZ in Kooperation mit dem Bundesgesundheitsministerium im Jahr 2015 initiiert wurde. Die SEEG unterstützt Partnerländer und Partnerorganisationen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit dabei, sich auf Krankheitsausbrüche vorzubereiten und auf diese zu reagieren – und zwar kurzfristig, flexibel, professionell und weltweit. So können Leben gerettet und auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Schäden in den betroffenen Staaten vermindert werden.
Die SEEG ist eine Kooperation des Robert Koch-Instituts, des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Bei Bedarf unterstützen Expertinnen und Experten weiterer Institutionen, etwa aus dem öffentlichen Gesundheitsdienst oder der Charité. Bisher hat die SEEG in mehr als 20 Einsätzen mindestens 15 verschiedene Partnerländer unterstützt.
Einsatzbeispiele
Covid-19 in Namibia und Benin
Im Februar 2020 wurden auf dem afrikanischen Kontinent die ersten Fälle der neuen Atemwegskrankheit Covid-19 bestätigt. Doch zu dem Zeitpunkt konnte kaum ein Land in Afrika den Erreger, das neuartige Corona-Virus SARS-CoV-2, diagnostizieren. Namibia hatte zum Beispiel zwar die nötigen Geräte – aber nicht die nötigen Test-Kits. Deswegen flog Anfang März 2020 ein Team der SEEG nach Namibia. In der Hauptstadt Windhoek wurden Technikerinnen und Techniker dreier Labore trainiert, die neuen Tests durchzuführen und sicher mit den Proben umzugehen. Das kam gerade richtig, denn schon eine Woche später wurden die ersten zwei Covid-19-Fälle in Namibia bestätigt.
Nach einem Hilfeersuchen der beninischen Regierung hat Mitte April ein weiteres SEEG-Team in Zusammenarbeit mit der Charité ein Covid-19-Diagnostiktraining im nationalen Referenzlabor für virale hämorrhagische Fiebererkrankungen in Cotonou, Benin, erfolgreich durchgeführt.
Ebola im Kongo
Im Mai 2018 erklärte die Regierung der Demokratischen Republik Kongo einen Ausbruch von Ebolafieber. Die WHO schätzte zu diesem Zeitpunkt das Risiko einer Ausbreitung für die Region als hoch ein. Deshalb wurden vorsorglich alle Nachbarländer in Alarmbereitschaft versetzt. Die Republik Kongo grenzt unmittelbar an das Ausbruchsgebiet an. Deshalb unterstützte ein SEEG-Einsatzteam das nationale Labor für öffentliche Gesundheit in Brazzaville dabei, die Diagnostik für Ebolafieber aufzubauen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der sicheren Bearbeitung von Ebola-Proben zu schulen.
Denguefieber in Sri Lanka
Ein Team der SEEG war im Februar 2018 in Colombo, Sri Lanka, im Einsatz. Der Grund: Sri Lanka erlebte den schwersten Ausbruch von Denguefieber seiner Geschichte. Eine schützende Impfung oder eine spezifische Therapie existieren bislang nicht. Die zeitnahe intensivmedizinische Überwachung und Behandlung kann jedoch Leben retten. Voraussetzung hierfür ist die rechtzeitige und sichere Erkennung einer Denguevirus-Infektion einschließlich der Serotypisierung. Ein SEEG-Einsatzteam schulte daher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Colombo North Teaching Hospital und der Universität Colombo, Denguefieber-Infektionen und die verschiedenen Serotypen mit Hilfe molekularer Methoden zu identifizieren.
Lassafieber in Nigeria
Im Februar und März 2018 unterstützte die SEEG während des größten bisherigen Lassafieber-Ausbruchs in Nigeria. Das Einsatzteam schulte Labormitarbeiterinnen und -mitarbeiter des Irrua Specialist Teaching Hospital (ISTH) sowie des Nigeria Centre for Disease Control (NCDC) in der Lassafieber-Diagnostik. Außerdem unterstützte das SEEG-Team bei der Bearbeitung von 1.500 Proben und leistete so einen wichtigen Beitrag zur Kontrolle des Lassafieber-Ausbruchs durch die nigerianischen Gesundheitsbehörden und -zentren. Der SEEG-Einsatz stellte die zuverlässige und schnelle Diagnose eines Großteils aller Lassafieber-Verdachtsfälle im Land sicher.
Lungenpest in Madagaskar
Im November 2017 unterstützte die SEEG Madagaskar dabei, den Ausbruch der hoch ansteckenden Lungenpest in den Griff zu bekommen und sich auf zukünftige Ausbrüche vorzubereiten. Im schwer zugänglichen Hochland bildete die SEEG Gesundheitsfachkräfte in der an lokale Rahmenbedingungen angepassten einfachen mikroskopischen Diagnostik des Pesterregers aus und sorgte für die nötige Ausstattung der lokalen Gesundheitseinrichtungen .