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Hintergrund E-Governance: Mehr Transparenz und Teilhabe durch moderne Technik
Mit der steigenden Verfügbarkeit von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in Entwicklungs- und Schwellenländern eröffnen sich völlig neue Wege der Regierungsführung – und damit auch Potenziale für die Entwicklungszusammenarbeit in diesem Bereich. Mittels Internet und Handy können neue Beteiligungsmöglichkeiten erprobt, Transparenz und Rechenschaftspflicht gestärkt und staatliche Leistungen effizienter erbracht werden. Ansätze dieser Art werden unter dem Begriff „Electronic Governance“, kurz: E-Governance, zusammengefasst.
Rahmenbedingungen für E-Governance
Um E-Governance-Strukturen aufbauen und sie entwicklungspolitisch nutzen zu können, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein.
Grundlage ist eine funktionierende Basisinfrastruktur (Stromversorgung, Internetzugang). Bereits dies stellt viele Kooperationsländer der deutschen Entwicklungszusammenarbeit vor große Herausforderungen.
Bislang ist noch eine „digitale Kluft“ zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, zwischen Stadt und Land, zwischen Reich und Arm zu verzeichnen. Die zunehmende Verstädterung und der rapide Ausbau mobiler Netze tragen jedoch mittel- bis langfristig zur Verbesserung dieser Situation bei. Vor allem in ländlichen Gegenden ist der Aufbau einer digitalen Infrastruktur jedoch aufwendig und teuer. Genau dort leben aber die meisten Armen, die besonders im Fokus der Entwicklungszusammenarbeit stehen.
Eine weitere Bedingung für die Verbesserung der Transparenz und Teilhabe durch moderne Technik ist, dass die Verantwortlichen in Staat und Verwaltung in der Lage sind, entsprechende Strategien eigenverantwortlich umzusetzen. E-Governance kann keine Managementmängel ausgleichen, im Gegenteil: Es braucht ein gutes Management, um E-Governance wirksam umsetzen zu können.
Um Diskriminierung zu vermeiden, müssen bestimmte Faktoren genau analysiert und beim Aufbau von E-Governance-Systemen berücksichtigt werden. Dazu gehören die Altersstruktur, das Bildungsniveau, die Stellung der Frauen, die Einkommensverteilung, Sprachunterschiede und das Verhältnis von Land- und Stadtbevölkerung.
Und: E-Governance setzt voraus, dass die Bevölkerung dem Staat Vertrauen entgegenbringt. Tut sie dies nicht, wird sie neue Angebote der Kommunikation und Mitwirkung nicht nutzen.
Chancen von E-Governance
Informationstechnologien (IT) bieten eine Reihe von Möglichkeiten, die dem entwicklungspolitischen Ziel der guten Regierungsführung dienlich sind.
Verbesserung der Datenlage
Aktuelle Datenbestände sind die Grundlage für jede Entwicklungsplanung. Doch in vielen Entwicklungsländern ist die Datenlage, etwa im Einwohnermeldewesen oder bei der Landregistrierung, unzureichend. IT-Anwendungen ermöglichen eine systematische und automatisierte Erhebung statistischer Kennzahlen. Wer staatlich registriert ist, also eine rechtsgültige Identität besitzt, kann seine Bürgerrechte besser ausüben (zum Beispiel wählen) und erhält leichter Zugang zu öffentlichen und privaten Dienstleistungen (zum Beispiel Gesundheit, Bildung, Versicherungen).
Kommunikation und Beteiligung
Das Internet ermöglicht neue Formen der Kommunikation zwischen Staat und Bevölkerung – und damit mehr Bürgernähe. Wenn Haushalts- und Landnutzungspläne, Gesetzentwürfe und Pläne für kommunale Infrastrukturvorhaben online abrufbar sind, können die Bürger darüber diskutieren und sich aktiv in Entscheidungsprozesse einbringen. Spracherkennende Technologien ermöglichen es, auch Analphabeten einzubeziehen. Mobile Anwendungen senken die Hürden, sich zu beteiligen.
Rechenschaft und Transparenz
Durch Informationstechnologie kann auch die Transparenz des staatlichen Handelns deutlich erhöht werden, etwa im Finanz- und Steuersystem. Wenn zum Beispiel Gemeinden ihre Einnahmen und Ausgaben im Internet veröffentlichen, können die Finanzströme leichter kontrolliert und überwacht werden. IT sorgt immer dafür, dass Vorgänge in eine feste, vorgegebene Form gebracht werden. Möglichkeiten für Manipulation, Korruption und willkürliche Amtshandlungen werden dadurch eingeschränkt.
Crowdsourcing
Über das Internet können leistungsschwache Verwaltungen Dienstleistungen auslagern – und zwar an die Bürger selbst. Dieses Weiterreichen von Aufgaben (englisch: Outsourcing) an eine Vielzahl Unbekannter (englisch: crowd = Menge) wird als Crowdsourcing bezeichnet. In Ägypten wird dieses Instrument zum Beispiel von Bürgerinitiativen zur Korruptionsbekämpfung genutzt. In Kenia sammelten Freiwillige Infrastrukturdaten eines Armenviertels von Nairobi. Sie lieferten damit nicht nur wertvolle Daten für die Stadtplanung, sondern schufen auch die Grundlage für öffentliche Beratungen zwischen Slum-Bewohnern und Stadtverwaltung.
Risiken von E-Governance
E-Governance ist ein hochkomplexes Thema, die Einführung setzt fundiertes Fachwissen voraus. Dafür werden Experten benötigt, die sich nicht nur mit Informationstechnologien gut auskennen, sondern auch mit den politischen und sozialen Gegebenheiten im betreffenden Land. Die meisten E-Governance-Ansätze wurden in Industriestaaten entwickelt. Diese lassen sich nicht einfach exportieren und einem Entwicklungsland „überstülpen“.
Einerseits besteht die Gefahr, dass sie nicht funktionieren, weil die Voraussetzungen völlig andere sind. Andererseits kann es passieren, dass sich das Entwicklungsland in eine technologische Abhängigkeit von einem anderen Staat oder einem Software-Unternehmen begibt – was dem Gedanken der guten Regierungsführung widerspricht. Werden IT-Dienstleistungen an private Firmen ausgelagert, besteht überdies ein hohes Korruptionsrisiko.
Auch Fragen zu Datenschutz, Meinungsfreiheit und demokratischer Kontrolle müssen vor der Einrichtung elektronischer Systeme geklärt werden. Programme, die eine Bürgerinformation und -beteiligung ermöglichen, können auch zur Meinungsmanipulation genutzt werden. Wenn die Regierung die Netzinfrastruktur und die Software kontrolliert, kontrolliert sie auch sämtliche Inhalte. Sie kann sie für eigene Interessen missbrauchen – und kann einzelne Seiten oder sogar das gesamte Netz nach Belieben abschalten.