Vielfalt im BMZ Interview mit Norzin Grigoleit-Dagyab

Stellvertretende Leiterin des Referats für feministische Entwicklungspolitik

Frage: Was bedeutet Geschlechtergerechtigkeit?

Norzin Grigoleit-Dagyab,  Stellvertretende Leiterin des Referats für Geschlechtergerechtigkeit im BMZ

Norzin Grigoleit-Dagyab, Stellvertretende Leiterin des Referats für Geschlechtergerechtigkeit im BMZ

Norzin Grigoleit-Dagyab,  Stellvertretende Leiterin des Referats für Geschlechtergerechtigkeit im BMZ

Geschlechtergerechtigkeit bedeutet, dass alle Menschen – unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung – die gleichen Rechte genießen und gleichberechtigt am Leben teilhaben können. Bei dem Streben nach Geschlechtergerechtigkeit geht es also um nichts weniger als die Erfüllung von Menschenrechten. Weltweit stehen Frauen nur etwa drei Viertel der Rechte zu wie Männern. Den Berechnungen des Weltwirtschaftsforums zufolge brauchen wir – bei aktuellem Tempo – noch 131 Jahre, bis Geschlechtergleichstellung erreicht ist! Jede dritte Frau weltweit erlebt mindestens ein Mal in ihrem Leben körperliche oder sexualisierte Gewalt. Frauen verrichten circa 76 Prozent der unbezahlten Pflege- und Hausarbeit und verbringen während ihres Lebens ganze sieben Jahre mehr mit unbezahlter Sorgearbeit als Männer. Dadurch geht ihnen kostbare Zeit für Bildung und Ausbildung verloren und damit die Möglichkeit auf bezahlte Arbeit und soziale Sicherung. Das sind krasse Ungerechtigkeiten.

Wie setzt sich das BMZ in den Partnerländern für eine feministische Entwicklungspolitik ein?

Gemeinsam mit unseren Partner*innen aus dem Globalen Süden arbeiten wir schon heute in vielen Programmen zusammen, die zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen: sei es die Unterstützung von werdenden Müttern in der Berufsbildung, die Zusammenarbeit mit männlichen religiösen Führern zur Überwindung von diskriminierenden Geschlechterrollen oder die Förderung von frauengeführten Unternehmen. Die Programme sind sehr vielfältig. Feministische Entwicklungspolitik geht aber über das Thema Geschlechterungleichheit hinaus und entwickelt auch Ansätze für die Inklusion und Stärkung von marginalisierten Bevölkerungsgruppen, die aufgrund anderer Merkmale – zum Beispiel wegen ihrer Behinderung, ihrer Ethnizität oder ihrem Alter – von einer gerechten Teilhabe ausgeschlossen werden.

Wie wirkt sich das auf unsere Partnerländer aus?

Mehr Geschlechtergerechtigkeit wirkt sich erwiesenermaßen positiv auf Gesellschaften und Volkswirtschaften aus. Laut der Weltbank wäre das langfristige Pro-Kopf Bruttoinlandsprodukt um fast 20 Prozent höher, wenn die Geschlechterungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt beseitigt wären. Von der Regierungsführung über die Wirtschaftsleistung eines Landes bis hin zur Ernährungssicherheit – all diese Bereiche leiden umso stärker, je geschlechterungerechter eine Gesellschaft ist. Es geht also nicht um eine ideologische Debatte, sondern um konkrete positive Wirkungen für die individuellen Personen und die Gesellschaften, in denen sie leben.


Stand: 28.05.2024