Falafelstand an der Schnellstraße in Saida, Libanon

Politischer Hintergrund Schwieriger Interessensausgleich

Der Libanon ist formal eine parlamentarische Demokratie, entscheidender Faktor für die Machtverteilung ist jedoch die Religionszugehörigkeit. Das Land verfügt über 18 offiziell anerkannte Konfessionen.

Posten in Politik und Verwaltung werden basierend auf einer Volkszählung aus dem Jahre 1932 nach Konfessionen verteilt. So muss der Präsident maronitischer Christ sein, der Parlamentspräsident schiitischer Muslim und der Regierungschef sunnitischer Muslim. Auch die Sitze im Parlament werden entsprechend verteilt. Entscheidungen werden nicht mit einfacher Mehrheit, sondern im Konsens gefällt. Große Teile der vielfältigen Medienlandschaft und der zahlreichen Nichtregierungsorganisationen (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) verfolgen ebenfalls die Interessen einzelner Konfessionen.

Dieses auf Interessensausgleich beruhende System hat allerdings dazu geführt, dass demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien in der libanesischen Gesellschaft kaum verankert sind. Die Religionsgemeinschaften verfügen über so viel Macht, dass der Einzelne im Alltag gezwungen ist, sich über seine Konfession zu definieren und zu organisieren. Klientelpolitik und Vetternwirtschaft sind die Folge. Korruption durchzieht den Staat und die Gesellschaft.

Nach vielen verschiedenen Krisen im Libanon ist es seit den Parlamentswahlen im Mai 2022 nicht mehr gelungen, einen Präsidenten und einen neuen Premierminister zu wählen. In der Folge endete die Amtszeit des Präsidenten ohne Nachfolge und die Regierung ist auch nur geschäftsführend im Amt. Dies hat weitreichende Folgen für die Handlungsfähigkeit des Staates in der aktuellen Krisensituation.


Stand: 18.10.2024