E-Health
Digitalisierung: Große Chancen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung
Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) werden immer wichtiger für das Gesundheitswesen. Sie ermöglichen es, Untersuchungsergebnisse und Patientendaten elektronisch zu erfassen, zu analysieren, zu verarbeiten und auszutauschen.
Das verbessert die Möglichkeiten der Behandlung und Betreuung von Patientinnen und Patienten. Besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern können IKT-gestützte Anwendungen helfen, ein gut funktionierendes Gesundheitssystem aufzubauen.
Für das große Spektrum verschiedener Anwendungsmöglichkeiten von IKT im Gesundheitswesen hat sich der Begriff „E-Health“ etabliert (Abkürzung für Electronic Health, sinngemäße Übersetzung: auf elektronischer Datenverarbeitung basierende Gesundheit).
Darunter fallen die Bereiche Telemedizin, mobile Gesundheitsanwendungen (Mobile Health, M-Health) sowie computergestützte Bildungsangebote (E-Learning).
Unter Telemedizin versteht man Gesundheitsdienstleistungen, die unter Nutzung von Telekommunikation über Entfernungen hinweg erbracht werden.
Beispiele sind die Ferndiagnose, die psychiatrische Beratung über eine gesicherte Internetverbindung oder auch die Fernsteuerung von Operationsrobotern.
Telemedizin ermöglicht es dem Gesundheitspersonal verschiedener Einrichtungen, Informationen auszutauschen. Ein einfaches Telemedizin-System besteht zum Beispiel darin, Befunde per E-Mail an einen Arzt zu senden, der dann auf dem gleichen Weg seine Expertenmeinung zu Diagnose und Behandlung äußern kann. Auf diesem Weg kann auch hochspezialisiertes Fachwissen kleine Gesundheitseinrichtungen in abgelegenen Gebieten erreichen.
Das Potenzial von Telemedizin kann besonders gut in Ländern genutzt werden, in denen es an Spezialisten mangelt und in denen Entfernungen, Infrastrukturprobleme und andere Barrieren die Gesundheitsversorgung erschweren.
Zur Telemedizin zählen auch Informationsportale im Internet, die der Gesundheitsförderung und der Information von Patienten dienen. Sie können mit Chat- oder E-Mail-Funktionen verbunden sein, um mehr oder weniger anonym Fragen an medizinische Experten stellen zu können. Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von elektronischen Lesegeräten (E-Readern) in Gesundheitseinrichtungen, über die zum Beispiel medizinische Nachschlagewerke oder aktuelle Fachzeitschriften für das Personal bereitgestellt werden.
In Entwicklungs- und Schwellenländern gibt es viel mehr Mobil- als Festnetztelefone. Besonders in Afrika ist der Mobilfunkmarkt in den vergangenen Jahren rapide gewachsen. Nach Angaben der Internationalen Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU) verfügten 2017 fast 80 Prozent der afrikanischen Bevölkerung über einen Mobilfunkvertrag. Zehn Jahre zuvor waren es weniger als 30 Prozent.
Mobiltelefone können für die Gesundheitsversorgung genutzt werden – zum Beispiel, um Patienten per Kurznachricht an Arzttermine oder an die regelmäßige Einnahme von Medikamenten zu erinnern. Über die Geräte können auch gesundheitsbezogene Informationen verbreitet, Geburten und Sterbefälle registriert und Krankheitsverläufe überwacht werden.
Mit der zunehmenden Verbreitung von internetfähigen Smartphones wächst die Zahl der möglichen gesundheitsspezifischen Anwendungen. So gibt es zum Beispiel Apps, die Schwangeren, abhängig davon, wie weit ihre Schwangerschaft fortgeschritten ist, Informationen zum Schwangerschaftsverlauf, zur Vorsorge und zur Kindesentwicklung liefern.
Angesichts des Personalmangels im Gesundheitswesen vieler Entwicklungs- und Schwellenländer müssen dringend Gesundheitsfachkräfte aus- und weitergebildet werden. Die vorhandenen Ausbildungseinrichtungen und insbesondere die Anzahl an qualifizierten Lehrkräften reichen hierfür oft nicht aus. Internetbasierte Aus- und Weiterbildungsangebote sowie der Zugang zu medizinischen Datenbanken können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Qualifikation des Personals und damit auch die Qualität der Gesundheitsversorgung zur verbessern.
E-Learning-Angebote ermöglichen es außerdem, sich berufsbegleitend fortzubilden. Solche Angebote sind nicht nur sehr kostengünstig, sie sind auch zeitlich flexibel einsetzbar. Dadurch können Fachkräfte daran teilnehmen, ohne dass es auf Kosten der Patientenversorgung geht.
E-Health in Entwicklungs- und Schwellenländern
Die fortschreitende Digitalisierung bietet Entwicklungs- und Schwellenländern die Chance, moderne Management- und Informationssysteme aufzubauen, etwa in der Krankenhausverwaltung, bei Krankenversicherungen, Logistik von Medikamenten oder zur Krankheitsüberwachung.
So hat sich zum Beispiel in der HIV/Aids- und Tuberkulosetherapie gezeigt, dass die Einführung elektronischer Patientenakten zu einer Verbesserung der Versorgung führt: Der Anteil falscher Verordnungen nimmt nachweislich ab und der Medikamentenbedarf lässt sich genauer beurteilen. Das wiederum beugt Engpässe bei der Versorgung mit Medikamenten vor.
Das Global Observatory for eHealth (Externer Link) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2014 eine Studie zu E-Health-Anwendungen in der Mütter- und Kindergesundheit sowie 2015 einen Atlas zu E-Health-Strategien (Externer Link) von 125 WHO-Mitgliedsstaaten erstellt. In diesem Atlas wird das Potenzial von E-Health speziell zur Erreichung einer allgemeinen, flächendeckenden Gesundheitsversorgung für alle hervorgehoben.
Einige Fragen sind allerdings noch offen. So gibt es bislang nur wenige Nachweise, wie positiv sich verschiedene E-Health-Anwendungen tatsächlich auf die Gesundheitsversorgung auswirken. Auch Untersuchungen zur Machbarkeit und zur Kosteneffizienz fehlen noch.
In vielen Kooperationsländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit stellt sich zudem die Frage, ob Investitionen in E-Health finanzielle Mittel binden, die für andere Maßnahmen dringender benötigt würden, und ob Investitionen in andere Bereiche größere Wirkungen erzielen könnten.
Potenziale von E-Health-Anwendungen
Vorteile von E-Health-Anwendungen werden vor allem in folgenden Bereichen gesehen:
Unterstützung von lokalen und internationalen Datensammlungen und schnellere Nutzung dieser Daten zum Beispiel bei Krankheitsausbrüchen; Erhöhung der Transparenz und Rechenschaft
Vermeidung von Diagnose- und Behandlungsfehlern durch Informationsaustausch, Zugang zu Fachwissen und Expertenunterstützung
Geld- und Materialeinsparung, etwa durch elektronische Patientenakten und verringerten Reiseaufwand; Effizienzgewinne, zum Beispiel durch IKT-gestützte Krankenhausmanagementsysteme
Fortbildungsangebote und Wissenstransfer auch in abgelegenen Regionen ohne häufige und lange Abwesenheit des Gesundheitspersonals
Chance, die Abwanderung von Fachpersonal („brain drain“) zu vermeiden, da die Arbeitsmotivation durch die neuen Möglichkeiten steigt
Herausforderungen in Entwicklungsländern
Defizite bei der grundlegenden Infrastruktur, etwa bei der Stromversorgung sowie bei der Verfügbarkeit von Internetverbindungen, Computern und anderen Endgeräten
Mangelnder Schutz sensibler Daten, zum Beispiel durch unzureichende Systempflege (Risiko von Computerviren) und die weit verbreitete Nutzung von Mobiltelefonen durch mehrere Personen
Mangel an ausgebildeten IT-Spezialisten, insbesondere im öffentlichen Sektor
Unzureichende Kenntnisse im Umgang mit Technik und komplexen IKT-Lösungen bei Gesundheitspersonal und Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung
Probleme beim Einsatz technischer Geräte aufgrund von Umwelteinflüssen wie Hitze und Feuchtigkeit sowie Raumbedingungen, etwa in ländlichen Gesundheitseinrichtungen
Unterfinanzierung der Gesundheitssysteme gefährdet Nachhaltigkeit der Investitionen in E-Health-Technologien (langfristige Sicherung der Betriebs- und Folgekosten für Hard- und Software sowie Trainingsmaßnahmen)
Risiko der steigenden Ungerechtigkeit im Gesundheitswesen: Die Bevölkerungsgruppen, die am meisten von E-Health-Anwendungen profitieren könnten, haben meistens den schlechtesten Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien und zu erforderlichen Bildungsangeboten
Deutsches Engagement
Das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) sieht große Potenziale in der Zusammenarbeit mit der Digital- und der Gesundheitswirtschaft. Thematische Anknüpfungspunkte an die Entwicklungszusammenarbeit bestehen vor allem in den Bereichen Gesundheitsinformationssysteme, Personalentwicklung, Krankenhausmanagement sowie bei der Politikberatung (Entwicklung und Umsetzung von E-Health-Strategien).
Entscheidend ist, Technologien und Inhalte so auszuwählen, dass sie dem Bedarf der Zielgruppen und den Rahmenbedingungen im jeweiligen Land, einschließlich der vorhandenen Infrastruktur, gerecht werden. Folgekosten, etwa für die Systempflege und Software-Updates, müssen mitberücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für Lösungen, die von Unternehmen aus Industrieländern zunächst kostengünstig angeboten werden, jedoch teuer in der Wartung und Instandhaltung sind. Insellösungen, die zum Beispiel technisch nicht kompatibel mit vorhandenen Systemen sind, müssen vermieden werden. Einen allgemeinen Orientierungsrahmen bieten hierbei die Prinzipien für Investitionen in digitale Gesundheit (Externer Link), die von Deutschland mitentwickelt wurden.
Zusammenarbeit mit der Wirtschaft
Im Auftrag des BMZ entwickelt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)) gemeinsam mit Partnern aus Deutschland und den Kooperationsländern digitale Modelle zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung.
In ihrer Veranstaltungsreihe „lab of tomorrow (Externer Link)“ arbeitet die GIZ unter anderem mit dem Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck zusammen. Im Mai und November 2016 fanden jeweils dreitägige Workshops bei Merck in Darmstadt und in Nairobi statt. Dabei ging es um logistische Lösungen für einen besseren Zugang zu Medikamenten und Diagnostik in Kenia. 50 Teilnehmende, davon 31 Unternehmen, entwickelten neun Lösungsmodelle – vom Treuepunktsystem über einen Online-Marktplatz für Apotheken und Kliniken bis zum Medikamententransport per Drohne. Sieben der Modelle befinden sich nun in der Umsetzung.
Im Frühjahr 2017 ging es in einem weiteren „lab of tomorrow“ um die Vermeidung chronischer Krankheiten in Kenia. Daraus ging die Idee von „Health.Games.Org“ hervor: Per Online-Quiz wird auf spielerische Weise ein gesunder Lebensstil vermittelt. Eine erste Version wurde zum Welt-Diabetes-Tag am 14. November 2017 in Eschborn und Nairobi vorgestellt.
openIMIS ist eine Open-Source-Software für das Management von Systemen zur sozialen Absicherung im Krankheitsfall. Das heißt, dass ihr Quelltext öffentlich verfügbar ist und gemeinschaftlich genutzt und weiterentwickelt wird. openIMIS ermöglicht es, die Daten von Patienten, Dienstleistern und Beitragszahlern zu verbinden.
Indien
Besitzerin eines kleinen Ladens in einem Slum in Neu-Delhi
Viele der in Indien existierenden sozialen Dienstleistungen, wie Krankenversicherung oder Altersrente, stehen nur den Erwerbstätigen im formalen Sektor zur Verfügung. Deutschland unterstützt Indien bei der Entwicklung und Umsetzung einer nationalen Krankenversicherung für arme Familien.
Im November 2016 fand in Kenia ein Wettbewerb („Hackathon“) zum Thema „Hacking for Global Health“ statt. Aufgabe war es, digitale Lösungen für die Kinder- und Jugendgesundheit zu entwickeln.
Westafrika
Intensivstation für Frühgeborene im Nyangya General Hospital in Nyangya, Nigeria
Im Rahmen der BMZ-Initiative „Digitales Afrika“ wird die West African Health Organisation (WAHO) beim Einsatz von Informationstechnologien unterstützt. Sie dienen dazu, die Bevölkerung über Gesundheitsrisiken aufzuklären und frühzeitig vor Seuchenausbrüchen zu warnen.
In mehreren Stadtverwaltungen in Bangladesch wurde mit deutscher Unterstützung eine Computersoftware zum Aufbau eines Gesundheitsinformationssystems eingeführt.