Urheberrecht© AMISOM / Mukhtar Nuur, via flickr, CC0
Politische Situation Machtkämpfe, Terrorangriffe und Korruption gefährden Staatsaufbau
Konflikte um die Aufgaben-, Mittel- und Machtverteilung zwischen der Zentralregierung und den Bundesstaaten, Kämpfe zwischen verschiedenen Clans, Angriffe der islamistischen Terrorgruppe Al-Shabaab und die allgegenwärtige Korruption behindern die Bearbeitung dringender Fragen (Staatsaufbau, Verfassung, Sicherheit).
Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex (Externer Link) von Transparency International stand Somalia 2023 auf dem letzten Rang der 180 ausgewerteten Staaten. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung und die staatlichen Einrichtungen ist gering.
Entsprechend zählen politische Stabilität, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit zu den Schwerpunktthemen des aktuellen nationalen Entwicklungsplans (2020–2024). Als Aufgaben benennt die Regierung unter anderem die Überarbeitung der Verfassung, den Aufbau einer Mehrparteiendemokratie mit fairen und glaubwürdigen Wahlen, die Stärkung des föderalistischen Systems und des politischen Dialogs zur nationalen Versöhnung sowie die Reform des Sicherheitssektors und des Rechtssystems.
Demokratie
Die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen finden bislang durch ein indirektes Verfahren statt. Basierend auf Clanzugehörigkeit werden dabei zunächst Wahlleute ernannt, die dann über die Besetzung des Parlaments entscheiden. Die Senatorinnen und Senatoren des Oberhauses wurden größtenteils von den Präsidenten der Bundesstaaten bestimmt. Die Mitglieder von Ober- und Unterhaus wählten dann den Präsidenten.
Streitigkeiten über das Wahlverfahren und massive Korruptionsvorwürfe stürzten das Land 2021 in eine tiefe politische Krise. Erst mit großer Verzögerung konnten die Wahlen stattfinden. Im Mai 2022 wurde Hassan Sheikh Mohamud zum somalischen Präsidenten gewählt. Er hatte das Land bereits von 2012 bis 2017 geführt.
In der autonomen Region Somaliland ist der Demokratisierungsprozess weiter fortgeschritten als im Rest des Landes. Die Wahlen dort wurden von internationalen Beobachtern als weitgehend frei und fair eingestuft. Die Region hatte sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber weder von der somalischen Zentralregierung noch von der internationalen Gemeinschaft als Staat anerkannt.
Rechtsstaatlichkeit
Die Verfassung von Somalia sieht eine Gewaltenteilung vor, diese ist aber noch nicht verwirklicht. Der Aufbau der Verwaltungsstrukturen, der Justiz sowie des Gesundheits- und Bildungssystems geht nur langsam voran und ist durch Korruption und Vetternwirtschaft geprägt. Der starke Einfluss der verschiedenen Clanfamilien, die oft geringe Sachkompetenz des Verwaltungspersonals sowie fehlende finanzielle Mittel erschweren den Staatsbildungsprozess.
Bislang gibt es in Somalia kein einheitliches Gerichtssystem; viele Menschen haben keinen Zugang zu einer unabhängigen Justiz. Besonders davon betroffen sind Frauen. Neben dem formellen Rechtssystem wird häufig die islamische Rechtsprechung der Scharia angewandt, sowie das Gewohnheitsrecht, bei dem Streitigkeiten durch die Clanältesten gelöst werden.
Menschenrechte
Viele zentrale bürgerliche und politische Rechte sind in Somalia nicht verwirklicht, etwa die Meinungs-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Religionsfreiheit. Die Pressefreiheit ist stark eingeschränkt, Medienschaffende werden regelmäßig Opfer von Angriffen durch Sicherheitskräfte, willkürlichen Verhaftungen und Einschüchterungsversuchen.
Eine clanbasierte Kultur mit strengen männlichen Hierarchien sowie religiöse Beschränkungen sorgen für eine große Ungleichheit der Geschlechter. Frauen sind nur wenig an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt und haben nur begrenzten Zugang zu Einkommen und Vermögenswerten. Häusliche und sexualisierte Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet. Sehr viele Mädchen und Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren sind von Genitalverstümmelung (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) betroffen. Ein großer Teil der Mädchen wird vor dem 18. Geburtstag verheiratet.
Sowohl der Terrorgruppe Al-Shabaab als auch Polizei, Militär und Geheimdiensten der Zentralregierung und der Bundesstaaten werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Unter anderem setzen alle bewaffneten Akteure im Land – oft zwangsrekrutierte – Kindersoldaten ein. Die Regierung hat sich 2019 verpflichtet, Kinder besser zu schützen. In Zusammenarbeit mit dem UN-Kinderhilfswerk UNICEF fördert sie die gesellschaftliche Wiedereingliederung ehemaliger Kindersoldaten.
Stand: 04.11.2024