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Soziale Situation Konkurrenz um Boden und Wasser
Durch die Pandemie hat sich die Situation weiter verschlechtert. Ägypten verfügt zwar über Sozialleistungsprogramme. Diese stehen jedoch – ebenso wie das Gesundheitssystem – finanziell stark unter Druck, da der Sozialsektor insgesamt deutlich unterfinanziert ist. Gleichzeitig trifft der Abbau von Subventionen, etwa für Brot, die ärmeren Bevölkerungsgruppen besonders stark.
Ein Großteil der Einkommen wird im informellen Sektor (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) erzielt. Die meisten der dort Beschäftigten haben keinen Anspruch auf staatliche Transferleistungen und profitieren zum Beispiel auch nicht vom neu eingeführten Mindestlohn.
Das hohe Bevölkerungswachstum (knapp zwei Prozent 2020) verschärft die soziale Lage zusätzlich. In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Einwohnerzahl Ägyptens nahezu verdoppelt und liegt inzwischen bei 102,3 Millionen. Ein Drittel der Bevölkerung ist jünger als 15 Jahre. In vielen Familien müssen Kinder mit zum Haushaltseinkommen beitragen. Viele Kinder zwischen 5 und 15 Jahren arbeiten regelmäßig in der Bauindustrie, in Bergwerken, in der Landwirtschaft oder als Haushaltshilfen. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hat die Kinderarbeit in der Landwirtschaft infolge der Corona-Pandemie deutlich zugenommen.
Auf dem aktuellen Index der menschlichen Entwicklung (HDI (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)) nimmt Ägypten Rang 105 von 193 Ländern ein.
Situation der Frauen
Die Förderung der Geschlechtergleichstellung ist erklärtes Ziel der ägyptischen Regierung. Der Frauenanteil in Politik und Verwaltung ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Im gesellschaftlichen Alltag gilt jedoch weiterhin das Prinzip der „Rollenteilung“. So gibt es in der Wirtschaft kaum Frauen in Führungspositionen. Ihr Anteil am regulären Arbeitsmarkt ist gering und im Zuge der Corona-Pandemie noch weiter gesunken. Nach Angaben der Weltbank (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) lag die Erwerbsquote bei den Frauen 2021 bei nur etwa 15 Prozent.
Sexuelle Belästigung und Gewalt gegen Frauen sind in Ägypten weit verbreitet. Auch die seit 2008 verbotene Praxis der Genitalverstümmelung (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) wird insbesondere in den ländlichen Gebieten noch praktiziert.
Schlechte Lebensbedingungen in Ballungsgebieten
Rund 95 Prozent der ägyptischen Bevölkerung leben auf etwa vier Prozent der Landesfläche im Niltal und im Nildelta. Diese Gebiete gehören damit zu den am dichtesten besiedelten Regionen der Welt. In den Ballungsräumen konkurrieren Landwirtschaft, Industrie und Bewohner um nutzbaren Boden und vor allem um die geringen Wasservorkommen.
Die extreme Siedlungsdichte und die fortschreitende Industrialisierung haben massive Umweltbelastungen zur Folge. In den städtischen Ballungsgebieten beeinträchtigt die zunehmende Verschmutzung von Luft und Wasser die Lebensbedingungen der Einwohnerinnen und Einwohner. Dort fehlen außerdem preiswerte Wohnungen für die arme Bevölkerung. Illegale Ansiedlungen wachsen unkontrolliert, ohne angemessene soziale und technische Infrastruktur.
Die Regierung reagiert mit der Sanierung von Slums und dem Bau zahlreicher neuer Städte. Größtes Projekt ist der Bau einer neuen Verwaltungshauptstadt etwa 50 Kilometer östlich von Kairo. Die Sanierung vernachlässigter Wohnviertel geht jedoch häufig mit Zwangsräumungen und -umsiedlungen einher. Und viele der neuen Siedlungen bleiben unbewohnt, da sie nicht dem Bedarf und den finanziellen Möglichkeiten der Menschen entsprechen.
Für den ländlichen Raum hat Präsident Al-Sisi eine groß angelegte Entwicklungsinitiative gestartet. Sie umfasst den Ausbau der Infrastruktur (Bewässerung, Abwasser, Straßen, Energieversorgung, Abfallrecycling), die Verbesserung der Bildungs- und Gesundheitsversorgung, die Schaffung von Wohnraum sowie die Unterstützung der Landwirtschaft.
Stand: 19.09.2022