11. März 2022 Rede der Parlamentarischen Staatssekretärin Dr. Bärbel Kofler bei der Verleihung des GIZ-Genderpreises
Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Preisträgerinnen und Preisträger,
liebe Frau Hoven,
liebe Mitarbeitende der GIZ,
erst vor wenigen Tagen haben wir am Internationalen Frauentag auf die Situation von Frauen weltweit aufmerksam gemacht. Wir haben erneut unsere Forderungen erhoben für eine echte Gleichstellung, für den Abbau der Ungleichheiten bei Lohn und Arbeitsbedingungen und für die Bekämpfung von Armut, die allzu oft Frauen trifft.
Im Kampf für gleiche Rechte und Chancen bleibt noch immer viel zu tun. Denn jede dritte Frau weltweit erfährt mindestens einmal im Leben körperliche oder sexualisierte Gewalt. Frauen verrichten etwa 75 Prozent der unbezahlten Pflege- und Hausarbeit. – Zeit, die ihnen für Erwerbstätigkeit und Bildung fehlt.
Covid-19-Pandemie, Klimakrise und zunehmende Konflikte machen mühsam erreichte Fortschritte zunichte. Sie verschärfen die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern sogar. SDG 5 – die Gleichstellung der Geschlechter – ist deshalb Schlüsselziel für die gesamte Nachhaltigkeitsagenda.
Nachhaltige Entwicklung ist nicht zu erreichen, solange die Hälfte der Bevölkerung von Möglichkeiten und Macht ausgeschlossen ist!
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze hat deshalb angekündigt, das Tempo zu erhöhen. Das BMZ wird eine feministische Entwicklungspolitik vorantreiben, gemeinsam mit unseren Partnerländern, auf multilateraler Ebene und mit Ihnen, unseren Partnerinnen und Partnern in der GIZ. Damit gehören wir neben Schweden, Kanada, Frankreich und zuletzt Mexiko zu den Vorreitern.
Was meinen wir mit einer feministischen Entwicklungspolitik?
Eine feministische Entwicklungspolitik ist Menschenrechtspolitik. Alle Menschen sollen politisch, wirtschaftlich und sozial gleichberechtigt teilhaben können – unabhängig von Geschlecht, Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung, Hautfarbe, Behinderung oder anderer Merkmale. Geschlechterungleichheiten sind keine Einzelfälle. Sie sind das Ergebnis diskriminierender Strukturen, Normen und Rollenbilder – das Ergebnis ungleich verteilter Macht.
Um diese Ungleichheit zu überwinden, müssen wir an die Strukturen heran. Dafür braucht es gleiche Rechte, mehr Ressourcen und eine bessere Repräsentanz von Frauen und marginalisierten Gruppen. Unsere Entwicklungspolitik soll Frauen in allen Lebensbereichen rechtlich stärken. Es darf keine Gesetze geben, die Mädchen und Frauen diskriminieren. Dafür werden wir eintreten. Wir wollen mehr Ressourcen für mehr Gleichstellung einsetzen. Dazu will das BMZ mehr Vorhaben fördern, die Gleichstellung als Hauptziel verfolgen. Und wir brauchen Frauen am Verhandlungstisch, sei es bei Friedens- oder Klimaverhandlungen, sei es bei der Konzeption entwicklungspolitischer Vorhaben.
Gerade in Konflikt- und Post-Konfliktsituationen können Frauen eine besondere Rolle spielen: bei Friedensverhandlungen, beim Wiederaufbau und der Vermeidung neuer Konflikte. – Leider angesichts des Kriegs in der Ukraine ein sehr aktuelles Thema.
Mit unserer feministischen Entwicklungspolitik wollen wir eine Transformation anstoßen.
Wir sind gerade dabei, dies auszubuchstabieren und werden natürlich auch mit Ihnen, den Durchführungsorganisationen, darüber diskutieren. Es ist gut, dass wir mit der GIZ einen engagierten Partner an unserer Seite wissen. Nicht zuletzt mit dieser Gender-Woche und Ihren Beiträgen zum GIZ-Genderwettbewerb zeigen Sie: Es passiert schon ganz viel!
Ich bin beeindruckt von Ihrem Engagement, Ihren Ideen und Ihren kreativen und innovativen Projekten für mehr Gleichstellung. Die Gewinnerbeiträge belegen, wie unsere Entwicklungszusammenarbeit Veränderung möglich machen kann. Alle prämierten Projekte tragen dazu bei, gesellschaftliche Normen zu überwinden, die Frauen benachteiligen – und das auch in schwierigem Umfeld.
Trainings, Informationskampagnen und sektorübergreifende Maßnahmen unterstützen Frauen und Männer dabei, Rollenbilder zu hinterfragen und inklusive Entscheidungen zu treffen. Frauen und Männer – das ist mir besonders wichtig. Denn Gleichstellung erreichen wir nicht allein mit den Frauen.
Die heute ausgezeichneten Projekte sind Best Practices, die Prämierung ist hochverdient! Die inhaltlichen Ansätze sind vielfältig, die Methoden innovativ: Das Berufsbildungsprogramm für Frauen in der Landwirtschaft in Afrika fördert beispielsweise Trainings, in denen sich die Teilnehmenden mit Geschlechterstereotypen auseinandersetzen, die Frauen daran hindern, ihr Einkommen und ihre landwirtschaftliche Produktivität zu steigern. Frauen und Männer können so inklusivere Geschäftsentscheidungen treffen.
Das Vorhaben Fit for School setzt sektorübergreifend an und hat zum Beispiel auf den Philippinen Menstruationshygienemanagement in seine Arbeit zu WASH in der Schule integriert. Dadurch konnte das Projekt das Bewusstsein für Menstruation schärfen und Barrieren abbauen, die menstruierende Mädchen daran hindern, weiterhin zur Schule zu gehen.
Ebenfalls im Bildungsbereich überzeugte das FATA-Entwicklungsprogramm in Pakistan mit seinen gendersensiblen Ansätzen. Auf Grundlage von Trainings konnten frauengeführte parent-teacher councils mit öffentlichen Mitteln Projekte zur Verbesserung der Situation der Mädchenschulen durchführen.
Klimaschutz und eine Just Transition ist neben der Gleichstellung der Geschlechter einer der neuen Schwerpunkte des BMZ. Die InsuResilience Partnership verbindet beides: Sie stellt mit ihrem Centre of Excellence for Climate Smart Solutions eine einzigartige Plattform zur Verfügung, die den Wissensaustausch zu gendertransformativen Ansätzen im Bereich Klimarisikoversicherungen und -finanzierung fördert. Über die Prämierung dieses Projekts freue ich mich als Beauftragte des BMZ für die InsuResilience Partnership besonders!
Einen genderresponsiven Ansatz verfolgt auch das Sektorvorhaben Antikorruption in seiner Beratung zur Korruptionsbekämpfung. Ein besonderer Erfolg: Die internationale Multiakteurspartnerschaft Alliance for Integrity wird jetzt durch ein Global Sounding Board on Gender and Business Integrity unterstützt.
Die Abteilung Ländliche Entwicklung und Landwirtschaft des Bereichs GloBE zeigt eindrücklich, wie konsequentes Gender Mainstreaming die Verankerung von gendertransformativen Ansätzen im Portfolio der Abteilung unterstützt.
Auch die Beiträge aus Ägypten und Zentralamerika zum Gender Mainstreaming illustrieren, was möglich wird, wenn wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen und in Genderkompetenz, Monitoring und Rechenschaftslegung investieren.
Ich gratuliere Ihnen allen herzlich zum GIZ-Genderpreis!
Ihre Projekte haben zwei Erfolgsfaktoren gemeinsam: Verankerung und Vernetzung. Sie zeigen, wie wirksame Entwicklungszusammenarbeit für mehr Geschlechtergerechtigkeit gehen kann. Konsequentes Gender Mainstreaming ist über das gesamte Portfolio verankert. Und Sie fördern an vielen Stellen den Wissensaustausch und die Vernetzung mit anderen Organisationen.
Und natürlich ist es wichtig, dass Sie Genderkompetenz in der Unternehmenskultur der GIZ vorleben. Daher finde ich es gut, dass Sie Präventionsarbeit zu sexueller Belästigung mit Angeboten für die Mitarbeitenden der GIZ leisten.
Dies alles geht nur mit Commitment und Ownership – im GIZ-Management, bei den Gender Focal Points, die Kolleginnen und Kollegen mit Rat und Tat unterstützen und nicht zuletzt unter den Mitarbeitenden. Ihnen gelten mein Dank und meine Anerkennung! Dem Motto der GIZ-Genderwoche „Attitude meets Action“ werden Sie damit gerecht! Für die Gestaltung der feministischen Entwicklungspolitik im BMZ nehme ich viel Inspiration aus diesem GIZ Genderwettbewerb mit.
Abschließend möchte ich die kürzlich verstorbene Literaturwissenschaftlerin und Feministin bell hooks zitieren: „Feminist politics aims to end domination to free us to be who we are – to live lives where we love justice, where we can live in peace. Feminism is for everybody“.
Lassen Sie uns alle gemeinsam diesen Weg gehen.