19. Februar 2023 Die Weltbank muss mutiger werden
Wir müssen uns einer unbequemen Wahrheit stellen – und wir müssen handeln. Die Auswirkungen des menschlichen Handelns auf unseren Planeten stellen eine Bedrohung für die Lebensgrundlagen dar und drohen Jahrzehnte des Fortschritts bei der menschlichen Entwicklung zu zerstören. Um das Überleben und den Wohlstand der Menschheit und des Planeten zu sichern, sind strukturelle Veränderungen gefragt.
Schwindende Fischbestände, auftauende Permafrostböden, zunehmende Antibiotikaresistenzen und der Verlust des tropischen Regenwalds sind nur einige Beispiele dafür, wie wir die Grundlagen für unsere Entwicklung untergraben.
Während akute Katastrophen meist die größte Aufmerksamkeit auf sich ziehen, schafft es der schleichende Schwund kostbarer natürlicher Ressourcen nicht in die Schlagzeilen. Dabei ist er zu einer chronischen Belastung für die Ärmsten der Welt geworden.
Die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen vertieft die weltweite wirtschaftliche Ungleichheit und die soziale Ausgrenzung. Sie untergräbt den Grundsatz der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, niemanden zurückzulassen.
Sie behindert Armutsbekämpfung und breitenwirksames Wirtschaftswachstum, schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt in reichen wie in armen Ländern und bedroht die weltweite Sicherheit. Kein Land kann diese grenzüberschreitenden Probleme allein lösen. Sie erwachsen auch aus einem Wirtschaftssystem, das sich als fragiler erwiesen hat, als viele meinten. Das jetzige System kann Risiken nicht ausreichend absorbieren.
Investition in Nachhaltigkeit und Resilienz
Die Welt benötigt ein globales System, das Resilienz schafft, Nachhaltigkeit fördert und Schocks abfedert. Um das zu erreichen, könnte die Weltgemeinschaft in diesem Jahr konkrete Schritte einleiten und damit bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank beginnen.
Wir, die Anteilseigner der Weltbank, haben im letzten Oktober Reformen eingefordert und die Bank zu modernisieren. Nachhaltigkeit und Resilienz sollten dabei zu Kernzielen der Institution werden und die konzeptionelle und operative Arbeit der Bank bestimmen.
Wir wissen, dass wir mit jedem Dollar, den wir heute in Nachhaltigkeit und Resilienz investieren, später vier bis sieben Dollar sparen. Schon allein deswegen müssen wir entsprechende Anreize zu Nachhaltigkeit und Resilienz bei der Kreditvergabe verankern.
Viele Reformen und Investitionen können positive grenzüberschreitende Folgen entwickeln. Es braucht daher mehr nationale Investitionen in globale öffentliche Güter und in Naturschutz.
Auch müssen wir alle Finanzierungskapazitäten der multilateralen Entwicklungsbanken ausschöpfen. Entscheidend ist, das vorhandene Kapital zu nutzen und gleichzeitig das AAA-Rating und die antizyklische Reaktionsfähigkeit dieser Institute zu erhalten. Hierzu liegen konkrete Vorschläge auf dem Tisch.
Bei der Prüfung der Kapitalausstattung im Rahmen der G20 (G20 Capital Adequacy Review) hat sich gezeigt, dass die multilateralen Entwicklungsbanken durchaus risikobereiter werden und dadurch sehr viel mehr Kapital mobilisieren können, etwa durch eine Senkung der Mindest-Eigenkapitalquote.
Jede einzelne Entwicklungsbank kann zudem mehr tun, um ihre Bilanz vollumfänglich zu nutzen. Durch Garantien können sie die Kosten für private Investitionen in die Transformation hin zu kohlenstoffarmer Energie, Verkehr und Landwirtschaft in den Entwicklungsländern erheblich senken. Werden diese Investitionen nicht billiger, werden wir das 1,5-Grad-Ziel für die Erderwärmung massiv verfehlen und damit Kettenreaktionen auslösen.
Klauseln zu Naturkatastrophen und Pandemien aufnehmen
Ebenso begrüßen wir Vorschläge, die die Ausgabe von Hybridkapital ohne Stimmrechte fordern, um die Kreditvergabe zu noch niedrigeren Zinssätzen zu ermöglichen – entweder durch eine „Koalition der Willigen“ oder durch Verkäufe an private Investoren.
Zudem müssen wir unsere Optionen für die Weitergabe von Sonderziehungsrechten (SZR, die Reservewährung des IWF) prüfen, um den Kapitalstock der internationalen Finanzinstitutionen zu stärken. Der neue Resilience and Sustainability Trust des IWF basiert auf dieser Prämisse und stellt einen vielversprechenden ersten Schritt zur Maximierung der Wirksamkeit von SZR-Zuweisungen dar.
Wir fordern die multilateralen Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen dazu auf, weitere Optionen zur Nutzung von SZR vorzulegen. Die Afrikanische Entwicklungsbank und die Interamerikanische Entwicklungsbank haben hiermit bereits begonnen.
Schließlich fordern wir alle Kreditgeber und -nehmer dazu auf, in den Kreditverträgen Klauseln zu Naturkatastrophen und Pandemien aufzunehmen. Solche Klauseln ermöglichen es in Krisenfällen, den Schuldendienst zeitweise zu reduzieren. Sie helfen so betroffenen Ländern in Zeiten, in denen der Bedarf am größten ist.
Es besteht ein klarer wissenschaftlicher Konsens zu Klimawandel und Biodiversitätsverlust. Den müssen wir dringend in ein neues wirtschaftliches Leitbild bei den internationalen Finanzinstitutionen einfließen lassen.
Bei der Frühjahrstagung im April muss die Weltbank anerkennen, dass Armut nur bekämpft werden kann, wenn wir Antworten auf die globalen Herausforderungen finden. Angesichts einer existenziellen Klimakrise sind Nachhaltigkeit und Resilienz der einzig gangbare Weg. Wir müssen unsere Institutionen modernisieren.
Die Autorinnen:
Mia Amor Mottley ist Premierministerin von Barbados. Svenja Schulze ist Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Beide vertreten ihr Land bei der Weltbank als Gouverneurin.