18. Dezember 2024 Rede von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze in der Aktuellen Stunde des Bundestages zur Lage in Syrien
Es gilt das gesprochene Wort!
Eine druckbare Version der Rede (PDF 70 KB, barrierefrei) finden Sie hier (Externer Link).
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zunächst einmal: Es ist wirklich eine gute Nachricht, dass die brutale Diktatur in Syrien vorbei ist. Das ist eine Nachricht, über die Millionen Syrerinnen und Syrer wirklich sehr erleichtert sind. Und mit einigen von ihnen, die hier in Deutschland leben, habe ich heute noch einmal darüber sprechen können, wie sie sich den politischen Wandel in Syrien vorstellen. Es war sehr bewegend, zu sehen, welche Freude, welche Erleichterung diese Menschen haben. Gleichzeitig sind sie auch voller Sorge darüber, wie es nun in Syrien weitergeht. Da ist vieles möglich – das hat Annalena Baerbock ja gerade ausgeführt –; da ist Hoffnung. Aber Gewissheit gibt es im Moment noch nicht; vieles in Syrien ist vollkommen unklar.
Aber klar ist, wie die Debatte in Deutschland läuft. Assad war noch nicht ganz in Moskau angekommen, da hat die CDU schon Ausreiseprämien gefordert. Herr Hardt, ich kann es Ihnen nicht ersparen: Aber was soll denn das eigentlich hier in der Debatte? Warum verunsichern Sie die vielen Syrerinnen und Syrer, die hier in Deutschland sind? Warum verunsichern sie die vielen Fachkräfte mit syrischen Wurzeln, die wir haben? Sie halten unser Land am Laufen. Und da verstehe ich nicht, warum man solche Debatten führt.
Ich sage Ihnen ganz klar: Ein freies, ein friedliches und ein stabiles Syrien bietet vor allem den Menschen, die vor den Schrecken des Krieges geflohen sind, eine Perspektive, zurückzukehren und ihre Heimat wieder aufzubauen.
Aber noch ist Syrien ein am Boden liegendes Land, und die Sicherheitslage ist komplett unklar. Wie soll eine geflüchtete syrische Familie schon jetzt über die Rückkehr entscheiden, wenn völlig unklar ist, wie sich die Situation weiterentwickelt, wenn die Sicherheit vielerorts nicht gewährleistet ist, wenn die Familien nicht einmal wissen, ob die Kinder in die Schule gehen können, ob es Arbeit, ob es Strom, ob es sauberes Wasser gibt?
Möglich ist eine radikale Regierung, die Frauen und Minderheiten unterdrückt. Möglich ist auch ein zerfallender Staat, in dem Unsicherheit und Bürgerkrieg herrscht. Möglich ist aber auch ein Syrien, das für alle seine Bürgerinnen und Bürger Sicherheit und Freiheit gewährleistet und für die Grundrechte sorgt, ein Syrien, in dem Frauen und Minderheiten keine Angst vor Verfolgung und Unterdrückung haben müssen. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die Vision eines freien, eines friedlichen, eines stabilen Syriens Wirklichkeit wird.
Zu diesem Zweck ist auch schon eine Delegation der Bundesregierung diese Woche nach Syrien gereist. Die Kolleginnen und Kollegen haben mit den neuen Machthabern darüber gesprochen, wie es nun im Land weitergehen wird. Sie haben aber auch sehr deutlich gemacht, welche Erwartungen die Bundesregierung an die neuen Machthaber stellt und welche Möglichkeiten wir sehen, den politischen Wandel zum Beispiel mit unserer Entwicklungspolitik zu unterstützen. Die deutsche Delegation hat in Damaskus auch mit Vertreterinnen und Vertretern der syrischen Zivilgesellschaft gesprochen, und sie haben dieselben Sorgen geäußert wie die Syrerinnen und Syrer, mit denen ich heute gesprochen habe.
Die deutsche Delegation hat von den Gesichtern auf den Straßen in Damaskus berichtet, die vom Krieg ausgezehrt und von Hunger und schweren Verfolgungen gezeichnet sind. Im Zentrum der Stadt sind mangelernährte Kinder auf offener Straße zu sehen, und es gibt über sieben Millionen Binnenvertriebene im Land, die zum Teil unter widrigsten Bedingungen leben. Das alles lässt doch erahnen, was die Menschen in den letzten Jahren durchgemacht haben, und es macht sehr deutlich, wie sehr es einen Neuanfang, wie sehr es einen positiven Wandel in Syrien braucht. Die Bundesregierung ist bereit, die Menschen auf diesem schwierigen Weg zu unterstützen, zum Beispiel bei der Versorgung mit dem, was am dringendsten zum Leben gebraucht wird: Nahrung, sauberes Wasser, aber auch eine funktionierende Gesundheitsversorgung, Bildung für alle Kinder – egal welches Geschlecht sie haben oder welcher Ethnie oder Religion sie angehören.
Damit man darüber diskutieren kann, ob eine Rückkehr nach Syrien überhaupt erst möglich wird, setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass es ein freies, ein friedliches, ein stabiles Syrien gibt. Dafür ist noch eine ganze Menge zu tun.
Herzlichen Dank.