5. November 2024 Rede von Bundesministerin Svenja Schulze beim Berlin Peace Dialogue 2024

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Abgeordnete,
liebe Gäste,

ich bin heute Nacht aus dem Libanon zurückgekommen. Das Leid der Menschen dort hat mich sehr erschüttert.

Die Gewalt in der Region hat sehr viele Menschen vertrieben. Mehr als eine Million Menschen sind in den letzten Wochen vor den Kämpfen im Libanon geflohen. Und es werden jeden Tag mehr.

Und das in einem Land, in dem die Situation schon vor der aktuellen Eskalation sehr angespannt war. In dem es – trotz der enormen Hilfsbereitschaft der libanesischen Bevölkerung – schon vorher schwierig war, alle Menschen zu versorgen. Denn im Libanon leben seit der Syrienkrise mehr Flüchtlinge pro Kopf als in irgendeinem anderen Land der Welt.

Die Menschen, die nun fliehen mussten, finden häufig keinen Platz in den ohnehin schon überlasteten Sammelunterkünften. Sie leben und schlafen vielfach im Freien, in Parks, an den Stränden oder auf der Straße. Es fehlt ihnen an allem: an Nahrung, an sanitären Einrichtungen, an Gesundheitsversorgung und an Bildung für die Kinder. Das Leid ist unermesslich.

Es ist vollkommen klar, dass der Libanon diese humanitäre Krise nicht alleine bewältigen kann. Er braucht dafür die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft.

Deshalb weitet Deutschland sein Engagement – gemeinsam mit internationalen Partnerinnen und Partnern – aus. Ich danke den Mitgliedern des Bundestags, des Haushaltsausschusses, die das kurzfristig möglich gemacht haben. Wir können dabei auf die Arbeit aufbauen, die wir in den letzten zehn Jahren bereits im Libanon geleistet haben.

Gleichzeitig arbeiten wir mit unserer Entwicklungspolitik und mit der zivilen Krisenprävention weltweit darauf hin, solche Notlagen zu verhindern, bevor sie überhaupt erst entstehen. Wir arbeiten darauf hin, Gesellschaften gegen Krisen zu wappnen und die strukturellen Ursachen von Konflikten zu überwinden. Es geht darum, Konflikte zu entschärfen bevor sie eskalieren.

Das ist nicht immer einfach. Aber das ist eine Arbeit, die absolut unerlässlich ist.

Denn nachhaltige Entwicklung ist nur möglich, wenn es ein friedliches Zusammenleben der Menschen gibt. Und für ein friedliches Zusammenleben brauchen die Menschen Perspektiven. Sie brauchen Wege, um sich aus der Armut zu befreien. Sie brauchen Chancen auf Teilhabe.

Bei der Förderung von Frieden und menschlicher Sicherheit ist die Zivilgesellschaft ein Schlüsselpartner für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit.

Deshalb passt es hervorragend, dass die Jahreskonferenz des Beirats der Bundesregierung für Zivile Krisenprävention und Friedensförderung heute erstmals hier im Entwicklungsministerium stattfindet.

Ich danke Ihnen, liebe Mitglieder des Beirats, herzlich für Ihren Einsatz und für die sehr gute Zusammenarbeit. Mit Ihrer Expertise geben Sie uns, der Bundesregierung, wichtige Impulse für unsere Entscheidungen.

Und Sie sind wichtige Mistreiterinnen und Mitstreiter, wenn es darum geht, eine nachhaltige Sicherheitspolitik voranzubringen. Eine Sicherheitspolitik, die über militärische Sicherheit hinausgeht. Eine Sicherheitspolitik, die das Wohlergehen und die Sicherheit der Menschen ins Zentrum stellt.

Genauso danke ich allen Engagierten aus der Zivilgesellschaft, die sich unermüdlich in der zivilen Krisenprävention einsetzen. Sie sind das Sprachrohr für Menschen weltweit, die gesellschaftlich benachteiligt sind.

Sie erreichen vor Ort die Menschen, die am dringendsten Unterstützung brauchen. Das gilt auch und gerade in Kontexten, in denen die staatliche Zusammenarbeit aufgrund von Konflikten erschwert oder unmöglich ist.

Vielen Dank, dass Sie sich so mutig und stark engagieren – zum Beispiel im Zivilen Friedendienst, der dieses Jahr sein 25-jähriges Jubiläum feiert.

Dieses Engagement ist gerade angesichts der aktuellen Weltlage unverzichtbar. Denn die Welt wird zunehmend multipolar. Die internationale regelbasierte Ordnung steht mehr und mehr unter Druck. Geopolitische Spannungen steigen, Kriege und Konflikte nehmen zu – wie im Nahen Osten, wie in der Ukraine, wie im Sudan.

Und je nach Ausgang der heutigen Präsidentschaftswahlen in den USA ist es gut möglich, dass die Herausforderungen noch größer werden.

Aus meiner Sicht ist die Antwort auf diese Herausforderungen ganz klar: Um die Konflikte auf dieser Welt zu lösen, braucht es mehr internationale Zusammenarbeit – und nicht weniger. Es braucht mehr Vertrauensbildung über Ländergrenzen hinweg – und keine Blockbildung, kein Lagerdenken. Es braucht mehr Krisenprävention und mehr Einsatz für den Frieden.

Und das, meine Damen und Herren, gelingt nur mit echten Partnerschaften. Mit Partnerschaften, die auf Respekt, Offenheit und Gegenseitigkeit beruhen. Mit Partnerschaften, die den Interessen aller Seiten Rechnung tragen.

Das heißt für uns in Deutschland und Europa: Wir müssen unseren Partnerinnen und Partnern in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa noch mehr zuhören und weniger mit fertigen Lösungen kommen. Wir müssen offen über unsere Interessen reden und darüber, wie wir sie mit den Interessen unserer Partnerländer ausgleichen können.

Und wir müssen ein glaubwürdiger Partner der Länder des Globalen Südens sein, wenn es darum geht, globale Ungleichheiten abzubauen. Wenn es darum geht, die strukturellen Ursachen von Krisen und Konflikten – wie Armut, Hunger und Ungleichheit – gemeinsam zu überwinden.

Dafür braucht es eine starke Entwicklungspolitik. Es braucht eine starke internationale Zusammenarbeit. Und es braucht eine starke zivile Krisenprävention.

Vielen Dank, dass Sie heute hier sind und diese wichtigen Diskussionen führen.