12. September 2024 Rede der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze, zum Haushaltsgesetz 2025 vor dem Deutschen Bundestag in Berlin

Standbild aus dem Video der Bundestagsrede von Bundesministerin Svenja Schulze am 12. September 2024 in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort!
Eine druckbare Version der Rede (PDF 71 KB, barrierefrei) finden Sie hier (Externer Link).

Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich wurde in den letzten Wochen ziemlich oft gefragt, ob ich denn zufrieden sei mit der Haushaltseinigung. Wir haben eine gemeinsame Lösung gefunden. Das ist gut. Und: Ja, ich bin zufrieden damit, dass wir uns einigen konnten. Und: Ja, mit einem BMZ-Etat von über zehn Milliarden Euro und damit gut zwei Prozent des Bundeshaushaltes bleibt Deutschland ein wichtiger Partner in der Welt. Aber es ist viel weniger Geld, als die internationale Zusammenarbeit eigentlich bräuchte.

So werden wir uns in wichtigen Bereichen nicht mehr auf dem gewohnten Niveau engagieren können, wie in den letzten Jahren. Wir werden auf neue, auf unerwartete Krisen nicht mehr so konsequent reagieren können – Krisen, ausgelöst durch Dürre, durch Hochwasser, durch Konflikte oder ausbrechende Krankheiten in den eh schon besonders gebeutelten Regionen.

Hinzu kommt die, wie ich finde, wirklich problematische Art der Debatte: Falschdarstellungen, Verkürzungen und der miefige Geruch von Deutschtümelei und Isolationismus. Das ist wirklich zerstörerisch und vor allen Dingen für den Zusammenhalt der Menschen in unserem Land schlecht. – Ich will der Union ausdrücklich danken, dass Sie nach einigen Ausrutschern wieder zu einer Versachlichung bei der entwicklungspolitischen Diskussion beigetragen hat. Mein besonderer Dank gilt da den Kollegen Hermann Gröhe und Volkmar Klein. Ich würde mir wünschen, dass wir, wenn wir einmal kurz die Debatte von gestern reflektieren, auch in anderen wichtigen Themen wie der Migration wieder zu solchen sachlichen Debatten kommen würden.

Wir leben in einer Zeit der Hitzesuperlative weltweit, aber auch in Deutschland. Auch dieser Sommer war wieder der heißeste seit 1991. – Das können Sie nicht wegdiskutieren, sehr geehrte Herren von der AfD! – Die Landwirtschaft hat enorm gelitten. Es gab mehr Unwetter. Die Zahl der Hitzetoten ist gestiegen. Und dagegen müssen wir als Weltgemeinschaft gemeinsam vorgehen. Auch wenn Sie von der AfD das nicht wahrhaben wollen, gegen internationale Problemlagen hilft nur internationale Zusammenarbeit. Den Klimawandel werden wir nicht in einem Land alleine bekämpfen können.

Und gleichzeitig leben wir in einer Zeit, in der die geopolitische Weltlage immer instabiler wird, in der wir gemeinsame Lösungen für Krisen, für Konflikte erst finden müssen. Schauen wir da zum Beispiel mal nach Indien. Indien ist jetzt die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Und sie wächst wirklich rasant. Indien ist ein Land, an dem kein Weg vorbeiführt, wenn es darum geht, die globalen Probleme zu lösen, den Klimawandel abzuschwächen, der die Menschen überall auf der Welt trifft. Und wir wollen, nein, wir müssen sogar dafür sorgen, dass Indien nachhaltig wächst. Denn wenn das bevölkerungsreichste Land der Welt – hören Sie doch einfach mal zu. Sie haben doch gleich auch Redezeit; dann können Sie das aus Ihrer Sicht erläutern –, ich will Ihnen aber sagen: Wenn das bevölkerungsreichste Land der Welt sich nicht in Richtung Klimaneutralität entwickelt, dann wäre das ein Problem. Orientiert es sich an der Klimaneutralität, dann profitieren am Ende die Menschen in Indien, in Deutschland und in der gesamten Welt.

Das ist aber noch nicht alles. Wir in Deutschland profitieren auch aus anderen Gründen von der Zusammenarbeit mit Indien. Jeder zweite Euro hierzulande wird im Export verdient. Unser Wohlstand und viele Arbeitsplätze in Deutschland beruhen auf unserem Status als Exportnation. Unser Wohlstand beruht darauf, dass andere Länder in Anlagen und in Infrastrukturen investieren und dabei eben auch Technologie „made in Germany“ nutzen. In Indien hat mein Haus schon seit Jahrzehnten den Markt für erneuerbare Energien mit aufgebaut und für bessere Investitionsbedingungen gesorgt. Deutsche Unternehmen haben von diesem guten Ruf und diesen Investitionen profitiert. Und sie tun es auch weiterhin. Sie kommen immer wieder bei den Ausschreibungen zum Zug, wie zum Beispiel bei der neuen Metrolinie im indischen Bundesstaat Gujarat. Diese wurde durch die deutsche Entwicklungspolitik mit Krediten mitfinanziert. Es ist ein Geschäft, und zwar ein gutes Geschäft. Siemens produziert dafür die Technik und bringt damit Geld und Arbeitsplätze zu den Menschen hier in Deutschland. Auch um solche Absatzmöglichkeiten wird es bei meinem Besuch in Indien in ein paar Tagen gehen, bei dem auch Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Wirtschaft mit dabei sein werden.

In den Beziehungen mit unseren Partnerländern haben wir in dieser Legislaturperiode die Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsministerium und Wirtschaftsministerium intensiviert. Der Wirtschaftsminister und ich sorgen dafür, dass die außenwirtschaftlichen Förderinstrumente und die Entwicklungszusammenarbeit besser Hand in Hand gehen, zum Beispiel eben beim Aufbau einer globalen Wasserstoffwirtschaft, von der sowohl wir als auch unsere Partnerländer profitieren werden.

Es ist völlig klar: Die Welt braucht internationale Zusammenarbeit. Die Menschen in Deutschland brauchen internationale Zusammenarbeit, und zwar mehr denn je. Es ist unsere moralische Verpflichtung, Menschen nicht einfach verhungern zu lassen und dazu beizutragen, dass sie weltweit unter menschenwürdigen Bedingungen leben können. Und neben diesem schlichten menschlichen Anstand gibt es eben auch wirtschaftliche und sicherheitspolitische Argumente dafür.

Schauen wir uns zum Beispiel China oder auch Russland an. Russland und insbesondere China engagieren sich in großem Maße im Globalen Süden, weil beide Staaten wissen, wie unverzichtbar wichtig andere Länder als Partner auf der geopolitischen Weltbühne sind. Und wir sind jedenfalls nicht bereit, diese Bühne diesen Ländern zu überlassen.

Die Beziehungen zum Beispiel zu rohstoffreichen Ländern sind für die Zukunft der Energieversorgung der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland essenziell. Wenn wir künftig nicht alle Rohstoffe nur von China kaufen wollen, müssen wir unsere Partnerschaften pflegen und neue Handelsbeziehungen aufbauen – Handelsbeziehungen, die auf gerechten und gleichberechtigten Grundlagen basieren. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit macht genau das: Wir bauen Brücken, wir verbinden Regionen miteinander.

Viele haben das übrigens verstanden. Sie setzen sich ein für mehr Zusammenarbeit: Bürgerinnen und Bürger, Engagierte in den Vereinen, in den Kirchen, in den Kommunen. Viele haben sich in der letzten Zeit mit guten Argumenten in die Diskussion mit eingebracht. Ich will auch hier im Bundestag vielen, vielen Dank sagen für diese großartige Unterstützung.

Diese vielen Engagierten haben deutlich gemacht, dass internationale Entwicklungszusammenarbeit ein Gebot der Menschlichkeit ist und zugleich auch Grundlage für Wohlstand und Sicherheit in Deutschland. Lassen Sie uns dieses Verständnis auch in die weiteren Beratungen tragen und Brücken bauen, jedenfalls mit denen, mit denen das geht.

Herzlichen Dank