1. September 2023 „Afrikas Lösungen für die Welt“

Gastbeitrag von Entwicklungsministerin Svenja Schulze im französischsprachigen Nachrichtenmagazin Jeune Afrique anlässlich des Africa Climate Summit.

Die französische Originalversion finden Sie hier (Externer Link).

In der globalen Klimakrise sind die afrikanischen Länder zentraler Teil der Lösung. Der erste Africa Climate Summit zeigt der internationalen Gemeinschaft, wo es langgehen muss, damit unser Planet eine Zukunft hat.

Die reichsten zehn Prozent der Menschen auf der Welt verursachen insgesamt fast die Hälfte der Treibhausgase. Der Kampf gegen die Klimakrise kommt gerade in wohlhabenden Ländern nur sehr mühsam voran. Die Frage afrikanischer Klimaaktivist*innen wie Elizabeth Wathuti, ob „die Menschen in den Industrieländern den Ernst der Lage noch nicht erkannt haben“, scheint angesichts dessen berechtigt. Für viele der Afrikaner*innen ist es keine Frage, ob sie den Ernst der Lage erkennen – sie bekommen ihn direkt zu spüren, vor allem die Ärmeren.

An den Klimawandel anpassen – und wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel antreiben

Die afrikanischen Länder haben in der Summe nur sechs Prozent der gesamten CO₂-Emissionen verursacht; die Auswirkungen des Klimawandels sind aber auf dem Kontinent besonders gravierend. Sie bei der Anpassung an die Klimafolgen zu unterstützen, wird daher immer wichtiger. Wenn jetzt beim ersten Africa Climate Summit Anfang September die internationale Gemeinschaft in Nairobi zusammenkommt, geht es jedoch um mehr als das: Es geht um Afrika als Motor für eine globale Transformation hin zur Klimaneutralität.

Afrika als Motor einer Just Transition

Das zeigt das ambitionierte Programm des Africa Climate Summit: Die meisten afrikanischen Länder stehen vor der großen Herausforderung, ihre wachsende Bevölkerung mit Energie zu versorgen. Gleichzeitig ist die Dekarbonisierung der Wirtschaft und die Anpassung an wachsende Folgen des Klimawandels notwendig. Aber: Der Wandel hin zu Klimaneutralität birgt für viele afrikanische Länder auch großes Potenzial. Sie können durch den Aufbau nachhaltiger Wirtschaftszweige und erneuerbarer Energien gute Arbeitsplätze schaffen, ihre Wirtschaft ankurbeln und gleichzeitig ökologisch und sozial ausrichten. Und damit die globale Just Transition vorantreiben. Der Geschäftsführer des Africa Climate Summit, Joseph Ng’ang’a bringt es auf den Punkt: „Afrika hat die Ressourcen, die Welt die finanziellen Mittel und die Technologie.“

Afrika legt vor – es wird Zeit, dass die Welt mitzieht

Afrika könne – so William Ruto, Präsident von Kenia und damit Ausrichter des ersten Africa Climate Summit – sein Potenzial einbringen, um die Lösung der Klimakrise voranzubringen. Deutschland, Europa, die internationale Gemeinschaft sollten diese Initiative unterstützen. Dazu zählt, endlich die jährlich 100 Milliarden US-Dollar internationale Klimafinanzierung zu erreichen, die die Industrieländer dem Globalen Süden versprochen haben. Deutschland ist hierbei auf einem guten Weg: Im Jahr 2022 gingen 6,3 Milliarden Euro deutsche Haushaltsmittel in die internationale Klimafinanzierung. Deutschland zahlt damit seinen Anteil. Aber es geht um mehr als diesen rechnerischen Beitrag. Wir brauchen Veränderungen in der internationalen Finanzarchitektur. Zu Recht platziert der Africa Climate Summit dieses Thema ganz weit oben.

Ich möchte daher mit drei konkreten Forderungen im Bereich der Klimafinanzierung zur Diskussion beim Gipfel beitragen:

1) A better and bigger bank: Aus der Weltbank eine echte Transformationsbank machen

Damit mehr Kapital für Investitionen zur Bekämpfung globaler Herausforderungen wie der Klimakrise eingesetzt werden kann, setze ich mich für eine grundlegende Reform der Weltbank ein. Die Weltbank muss dafür ihr länderbasiertes Geschäftsmodell stärker auf das Ziel ausrichten, Klima, Gesundheit und andere öffentliche Güter über Grenzen hinweg besser zu schützen. Das ist zum Nutzen aller! Das heißt auch, dass Klimaschutz und Armutsbekämpfung nicht gegeneinander ausgespielt werden, im Gegenteil. Als Transformationsbank soll die Weltbank dazu beitragen, dass Gesellschaften und Wirtschaften sozial gerechter und ökologischer werden. Zum Beispiel, indem durch ihre Investitionen gute Jobs in klimaneutralen Branchen geschaffen werden.

2) Schuldenumwandlungen: Den Wert des Klimas schätzen

Die Klimafrage ist auch eine Frage der Verschuldung, denn leider gilt noch viel zu oft debt kills climate. Dieses Dilemma kennen auch viele afrikanische Länder, die in Klimaschutz und ökologisches Wirtschaften investieren wollen, aber aufgrund ihrer Verschuldung nicht können. Ich mache mich deshalb für Schuldenumwandlungen stark, die Klimaschutz in Rechnung stellen, sogenannte „debt-for-climate swaps“ oder „debt-for-nature swaps“. Der Gedanke dahinter: Ein Land, das verschuldet ist, jedoch nicht überschuldet, tauscht einen Teil seiner Schulden gegen die Verpflichtung, Investitionen in die soziale und ökologische Transformation im gleichen Wert vorzunehmen. Davon profitiert das tauschende Land genauso wie die Weltgemeinschaft.

3) Fair share: Mit global gerechten Steuern Klimaschutz finanzieren

Steuern sind das naheliegendste und wirksamste Instrument, um Ausgaben zum Wohle aller zu finanzieren. Die Kosten für den Klimaschutz sind eine solche Ausgabe. Alle sollten daher einen angemessenen Anteil dazu beitragen. Hierzu gehört, Reiche höher zu besteuern. Und hierzu gehört, dafür zu sorgen, dass multinationale Unternehmen in den Ländern Steuern zahlen, in denen sie wirtschaftlich aktiv sind. In vielen Ländern insbesondere im Globalen Süden zahlen multinationale Unternehmen bisher kaum Steuern, obwohl sie von öffentlicher Infrastruktur, Ressourcen und Arbeitskräften profitieren. Ich setze mich deshalb für faire internationale Steuerverhandlungen ein, bei denen die Länder des Globalen Südens gleichberechtigt mit am Tisch sitzen. Denn, wie ich es häufig aus der Zivilgesellschaft höre: „If you are not at the table, you are on the menu.“ Wenn internationale Besteuerungsrechte fair verteilt werden, können auch viele afrikanische Länder ihr Steueraufkommen entsprechend erhöhen – und somit die verfügbaren Mittel für Klimaschutz.

Deutschlands Aufgabe: Zuhören und Mitnehmen

Diese Überlegungen zur Klimafinanzierung sind für mich lediglich ein Anfang. Beim Africa Climate Summit in Nairobi werden die deutschen Vertreter*innen vor allem eins tun: zuhören. Und das Gesagte mitnehmen. Als Ansporn und als Inspiration. Für unsere eigene Arbeit, für die Arbeit in den internationalen Gremien und für die Weltklimakonferenz COP28 im Dezember in Dubai. Denn dort wird die afrikanische Perspektive die Verhandlungen maßgeblich mitbestimmen.

Svenja Schulze ist Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Deutschland. In der Afrika-Strategie ihres Ministeriums hat sie eine neue Haltung in der Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern angekündigt, die auf echter Partnerschaft basiert. Zuvor war sie Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit.