30. November Rede von Bundesministerin Svenja Schulze anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Deutschen Evaluierungsinstituts der Entwicklungszusammenarbeit (DEval)
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gäste,
Was erreichen wir eigentlich mit unserer deutschen Entwicklungszusammenarbeit vor Ort in Afrika, Asien und Lateinamerika? Welche konkreten Verbesserungen bringt es den Menschen dort, wenn wir Millionen Euro pro Jahr für eine Just Transition, die Stärkung von Menschenrechten oder Pandemievorsorge ausgeben? Verhindern wir mit unserem Engagement, dass mehr Menschen in Armut fallen und stärken wir tatsächlich Ernährungssicherheit weltweit? Setzen wir dem Klimawandel etwas entgegen?
Ja, das erscheint alles durchaus plausibel. Zum Beispiel indem wir unsere Partnerländer dabei unterstützen, soziale Sicherungssysteme aufzubauen, erhält eine Kleinbäuerin nach einer Dürre schnelle finanzielle Hilfe. Das ermöglicht ihr, wieder auf die Beine zu kommen und in die nächste Aussaat zu investieren. Oder indem wir die Impfstoffproduktion in Afrika fördern, tragen wir dazu bei, dass mehr Menschen vor Infektionskrankheiten geschützt werden.
Das erscheint plausibel, oder? Der afro-amerikanische Dichter Robert Hayden hatte darauf bereits vor Jahrzehnten eine, wie ich finde, sehr gute Antwort, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte: „In God we trust. All others must bring data.“
Hayden spricht Ihnen, lieber Herr Professor Faust, damit vermutlich aus dem Herzen. Seit sieben Jahren leiten Sie das DEval und Sie wissen: Es reicht nicht aus darauf zu vertrauen, dass gute Absichten auch Gutes bewirken. Wir müssen es immer wieder überprüfen. Wir brauchen Data und müssen darauf schauen.
Und genau das tun Sie im DEval seit nunmehr 10 Jahren erfolgreich! Sie analysieren und bewerten das Engagement der deutschen Entwicklungspolitik. Sie evaluieren die Maßnahmen und helfen dem BMZ dabei, wirksamer zu werden, also tatsächlich die Situation der Menschen im globalen Süden zu verbessern. Sie entwickeln Methoden, um Evaluationen möglichst praxisnah zu gestalten. Und Sie unterstützen Partnerländer dabei, selbst Evaluationen durchzuführen. Dafür möchte ich Ihnen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DEval, Dankeschön sagen. Das ist wirklich eine großartige Leistung! Mittlerweile sind Sie mehr als 100 Beschäftigte, die ein breites Wissen mit sich bringen. Dank Ihrer Expertise müssen wir im BMZ nicht einfach nur darauf vertrauen, dass wir nachhaltige Entwicklung in unseren Partnerländern fördern. Unser Beitrag wird von Ihnen wissenschaftlich evaluiert. Und das ist wirklich wichtig, das ist gut so.
Denn wir brauchen Evaluierung in der Entwicklungszusammenarbeit. Ich würde mir das auch für andere Politikfelder wünschen. Das sage ich auch aus meiner Erfahrung aus früheren Verwendungen. Wir brauchen Evaluierung, um zu wissen, welche Ansätze wirksam sind und mit welchen Interventionen wir unsere Ziele am effizientesten erreichen.
Sie sehen es hier vorne auf den Tafeln: 92 Prozent der deutschen Bevölkerung – das sagt der Meinungsmonitor des DEval – sehen es als wichtig an, Länder des Globalen Südens zu unterstützen. Eine beeindruckende Zahl. Gleichzeitig schätzen aber nur 22 Prozent die staatliche Entwicklungszusammenarbeit als wirksam ein. 21 Prozent halten sie für nicht wirksam.
Das ist wirklich ernüchternd und ich bin überzeugt, dass die deutsche Entwicklungspolitik wirksam ist. Wir müssen aber – und damit komme ich zu meinem nächsten Punkt – noch mehr tun, um die Ergebnisse unserer Arbeit an die Öffentlichkeit kommunizieren. Und dabei zählen wir auf das DEval.
Denn wir brauchen Evaluierung auch, um Rechenschaft abzulegen. Es ist mir wichtig, dass wir transparent darstellen können, wie das BMZ öffentliche Gelder investiert und welche Ergebnisse wir erzielen. Dass die Berichte des DEval nicht nur öffentlich sind, sondern auch ans Parlament gehen, im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung diskutiert werden, leistet viel in puncto Transparenz und Rechenschaft. Und als langes Beiratsmitglied und neue Vorsitzende werden Sie, liebe Frau Früh, sicherlich bestätigen, dass auch der Beirat eine wichtige Schnittstelle zwischen Parlament und DEval ist.
Und schließlich brauchen wir Evaluierung vor allem, um zu lernen und unsere Maßnahmen weiterzuentwickeln. Das DEval schaut dabei nicht nur auf Wirkungen. Es bewertet auch die Relevanz unseres Engagements für die übergeordneten Ziele des BMZ. Ich denke beispielsweise an Ihre Evaluation, wie das BMZ die Gleichberechtigung der Geschlechter in Post-Konflikt Kontexten fördert. Um die Gleichberechtigung nämlich auch mit Vorhaben zu fördern, die andere Programmziele verfolgen, nutzt das BMZ Verfahren zum Gender Mainstreaming. Also Verfahren wie etwa landesweite Genderanalysen oder Beschwerdemechanismen gegen sexuelles Fehlverhalten. Anhand von Fallstudien in Kolumbien, Liberia, Pakistan und Sri Lanka hat das DEval untersucht, ob diese Verfahren ihren Zweck erfüllen. Die DEval Studie zeigt, dass sich unsere Ansätze zum Gender-Mainstreaming zwar grundsätzlich dafür eignen, Gleichberechtigung voranzubringen. Sie werden aber nicht oft genug genutzt, um Geschlechtergleichstellung konsequent in allen Vorhaben zu etablieren. Hier müssen wir mit einer feministischen Entwicklungspolitik in Zukunft also ansetzen. Das BMZ muss seine Vorhaben so aufstellen, dass sie die Gleichstellung der Geschlechter systematisch verfolgen. Dass Frauen mehr Rechte und Ressourcen bekommen, dass sie stärker repräsentiert sind.
Sehr geehrte Damen und Herren, das ist eine der großen Herausforderungen der Legislaturperiode. Aber vor dem BMZ und seinen Partnerländern liegen noch viele, viele weitere. Die Weltgemeinschaft ist von den nachhaltigen Entwicklungszielen weit entfernt – und wir erleben sogar, wie Hunger wie Armut weltweit wieder zunehmen. Auch deshalb steigt die Bedeutung der Entwicklungspolitik. Und auch deshalb möchte ich mit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit noch mehr Wirkung erzielen als bisher. Mir geht es darum, Antworten auf die vielen Krisen zu finden und niemanden zurückzulassen.
Für unser Engagement habe ich vier Schwerpunkte gesetzt:
- Erstens, die Covid-19-Pandemie und ihre Folgen zu bewältigen und möglichst neuen Pandemien vorzubeugen;
- zweitens, Armut und Hunger wirksam zurückzudrängen;
- drittens, die Just Transition entschieden voranzutreiben; und
- viertens, eine feministische Entwicklungspolitik zu etablieren.
Um die Ressourcen des BMZ hierfür bestmöglich zu nutzen, brauchen wir eine starke, eine unabhängige Evaluierungsinstanz. Deshalb werde ich mich auch in Zukunft für ein starkes DEval einsetzen!
Auch, da ich in den nächsten Jahren wichtige Impulse vom DEval erwarte. Denn gerade weil Ihre Empfehlungen – Ihr unabhängiger Blick von außen – so wichtig für meine, für unsere Arbeit sind, brauchen wir sie auch möglichst rasch. Deshalb freue ich mich, dass das DEval dem BMZ in Zukunft noch stärker beratend zur Seite stehen wird, beispielsweise mit schnellen Analysen zu den Leitungsprioritäten. So können wir unsere Schwerpunkte noch stärker auf der Grundlage wissenschaftlicher Evidenz entwickeln.
Meine Damen und Herren,
wir feiern heute das 10-jährige Jubiläum des DEval. Hierzu gratuliere ich Ihnen, Herrn Professor Faust, und allen Mitarbeitenden des DEval ganz herzlich! Und ich möchte Sie ermutigen, dem BMZ und seinen Durchführungsorganisationen genauso kritisch und genauso konstruktiv wie bisher auf den Zahn zu fühlen. Seien Sie unbequem, fordern Sie uns heraus – denn das ist es, was wir brauchen, um gemeinsam etwas zu verändern!
Herzlichen Dank