17. Februar 2022 Rede von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze vor dem Deutschen Bundestag in Berlin
Es gilt das gesprochene Wort!
Eine druckbare Version der Rede (PDF 67 KB, barrierefrei) finden Sie hier (Externer Link).
Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Keines – keines! – der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung wird bis 2030 erreicht werden, wenn wir im bisherigen Tempo weitermachen. So steht es im Entwicklungspolitischen Bericht der Bundesregierung vom letzten Jahr. Aber diese Regierung hat nicht vor, weiterzumachen wie bisher. Ich werde das Tempo deutlich erhöhen. Die Agenda 2030 und ihre 17 Ziele sind die Richtschnur auch für die deutsche Entwicklungspolitik.
Ein Nachhaltigkeitsziel (SDG) möchte ich hier heute in dieser Debatte ganz besonders hervorheben, und das ist das SDG 5 – das sind gleiche Rechte und gleiche Chancen für die Geschlechter –, denn das ist ein wirklich essenzielles Ziel für eine starke, für eine resiliente Gesellschaft. Gleichzeitig ist das SDG 5 ein Schlüsselfaktor für die gesamte Nachhaltigkeitsagenda. Die Überwindung von Armut und Hunger können wir beispielsweise ohne eine echte Gleichstellung nicht erreichen. Ich werde deshalb eine feministische Entwicklungspolitik vorantreiben.
Das werden wir gemeinsam tun mit unseren Partnerinnen und Partnern in den Ländern des Globalen Südens, aber auch in den Strukturen der Entwicklungszusammenarbeit. Geschlechterungleichheit ist das Ergebnis diskriminierender Strukturen, diskriminierender Normen, diskriminierender Rollenbilder. Ich bin fest davon überzeugt: Wer die menschliche Gesellschaft will, der muss die männliche überwinden.
Das Ziel einer feministischen Entwicklungspolitik ist die gleiche politische, wirtschaftliche und soziale Teilhabe aller Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht, von Geschlechtsidentität, von sexueller Orientierung, und dafür braucht es gleiche Rechte, mehr Ressourcen und eine bessere Repräsentanz.
Die Voraussetzung für eine echte Gleichstellung sind natürlich gleiche Rechte. Ich werde mich dafür einsetzen, dass diskriminierende Gesetze aufgehoben und Frauen und Mädchen in allen Lebensbereichen rechtlich gestärkt werden. Das müssen leider auch Sie vonseiten der AfD aushalten. Ich will den politischen Dialog zu Menschenrechtsfragen suchen und zivilgesellschaftliche Organisation in unseren Partnerländern fördern.
Eine feministische Entwicklungspolitik braucht aber auch angemessene Ressourcen. Sowohl bilateral als auch multilateral werde ich neue Schwerpunkte setzen und mehr für die Gleichstellung tun, um auch mehr für die Gleichstellung zu erreichen.
Ein weiterer Punkt ist: Die Repräsentanz von Frauen auf allen Ebenen muss gestärkt werden. Wir brauchen Frauen am Tisch, egal ob es um internationale Verhandlungen, neue Strategien oder die Konzeption eines neuen Vorhabens geht. Mit mir wird es keine Entscheidung über Frauen ohne Frauen geben.
Das Ziel unserer Entwicklungspolitik ist die Gleichstellung, nicht nur, weil es gerecht ist, sondern auch, weil die Ergebnisse dann deutlich besser sind. Ich will nur ein Beispiel herausnehmen, nämlich die Landwirtschaft – vielleicht ein Bereich, in dem sie das nicht vermuten. Aber wenn Frauen den gleichen Zugang zu Land haben, dann erhöht sich die landwirtschaftliche Produktion. Das Ziel ist natürlich insgesamt die uneingeschränkte Wahrnehmung der Menschenrechte für alle zum Beispiel im Bereich der Gesundheit, das Recht auf Gesundheit, Sicherheit und körperliche Unversehrtheit für Frauen.
Vor anderthalb Wochen war der Internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung. Durch die Corona-Pandemie sind herbe Rückschläge bei der Bekämpfung dieser schweren Form geschlechtsbasierter Gewalt zu verzeichnen. Mindestens 200 Millionen Frauen weltweit müssen mit den lebenslangen körperlichen und psychischen Folgen leben. Zwar sind in zahlreichen Ländern diese Praktiken verboten, aber es fehlt noch immer an den nötigen Schutz- und Strafverfolgungsmechanismen. Es fehlt an der Unterstützung für die betroffenen Mädchen und Frauen. Das Thema „weibliche Genitalverstümmelung“ muss in die Präventionsarbeit gegen geschlechtsbasierte Gewalt unbedingt einbezogen werden.
Es gibt also noch viel zu tun. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wird mein Ministerium dafür einen umfassenden Genderaktionsplan unter Beteiligung der Zivilgesellschaft erarbeiten. Es geht mir nicht um warme Worte, sondern ganz konkret um die Bereitstellung von finanziellen Mitteln. In Kanada, das schon seit vielen Jahren eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik verfolgt, fördern 92 Prozent der öffentlichen Entwicklungsleistungen auch die Gleichstellung der Geschlechter. Davon sind wir in Deutschland noch weit entfernt. Aber ich werde alles dafür tun, um die Hebel umzusetzen, und dafür setze ich auch auf ihre Unterstützung.
Vielen Dank.