4. Oktober 2019 Rede des Parlamentarischen Staatssekretärs Norbert Barthle beim Besuch der Netzleitwarte in Kathmandu (Nepal)

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir stehen hier alle an einem wichtigen Ort! Die Netzleitwarte, die wir heute in ihrer technisch verbesserten Form einweihen, ist das Herzstück des nepalesischen Stromnetzes. Eigentlich sollte ich sagen: Sie ist das Gehirn des Netzes! Denn die Steuerung des gesamten Stromnetzes findet in dieser Anlage statt.

Die Bundesregierung hatte bereits 2004 die Errichtung dieser Netzleitwarte unterstützt. Seit damals hat sich die Steuerungstechnologie jedoch enorm weiterentwickelt. Deshalb haben wir 2014 sieben Millionen Euro für die Modernisierung der hiesigen Hard- und Software zugesagt.

Bei den schweren Erdbeben wurden 2015 Übertragungs- und Verteilungssysteme sowie die Netzleitwarte selber beschädigt. Neue Investitionen wurden also umso dringlicher. Denn diese Anlage ist von großer Bedeutung für die Menschen wie auch für die Wirtschaft Nepals.

Ich möchte an dieser Stelle daher meine Hochachtung für den großen Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Netzleitwarte zum Ausdruck bringen. Dank Ihrer Arbeit konnte die Stromversorgung bereits einige Stunden nach dem Beben 2015 wieder hergestellt werden!

Die Erfahrung des Erdbebens hat deutlich gezeigt, wie sensibel High-Tech-Anlagen sind. In Gebieten, die anfällig für Naturkatastrophen sind, ist deshalb ein Back-up-System an einem anderen Standort unverzichtbar. So wie Sie das aktuell rund 100 Kilometer Luftlinie westlich von Kathmandu mit dem Bau der Back-up-Anlage dieser Netzleitwarte in der Stadt Hetauda umsetzen.

Mit diesem Projekt leisten wir ebenfalls einen Beitrag für eine stabile und nachhaltige Stromversorgung sowie für die ehrgeizigen Klimaschutzziele Nepals.

Denn erstens ermöglicht die Netzleitwarte die immer wichtigere Synchronisierung von Strom.

Zweitens ist diese Synchronisierung der Stromspannung ihrerseits eine technische Voraussetzung für den Stromhandel mit Ländern in der Region Süd-Asien.

Drittens haben derzeit nur etwa zwei Drittel der Bevölkerung Zugang zu Strom. Die entlegenen ländlichen Regionen sind nach wie vor unterversorgt. Gekocht wird dort nach wie vor mit traditioneller Energie, das heißt mit Brennholz. Die zahlreichen negativen Folgen wie Atemwegserkrankungen oder Erosionen sind bekannt.

Viertens hat Nepals rasch wachsende Bevölkerung einen rasch wachsenden Energiebedarf! Es muss also mehr Strom erzeugt werden. Gleichzeitig muss die Übertragungsinfrastruktur ausgebaut und vielerorts modernisiert werden. Denn die technischen und sonstigen Übertragungsverluste liegen bei bis zu 20 Prozent.

Fünftens fällt die Stromerzeugung aus Wasserkraft während der Trockenzeit auf rund ein Drittel ihrer Kapazität ab. Einer Produktion von 400 Megawatt steht dann ein Spitzenbedarf von 1.500 Megawatt gegenüber. Und der Rückzug der Gletscher dürfte dieses Problem noch verschärfen. Dieses Defizit lässt sich im Moment nur durch teure Importe von Kohlestrom aus Indien kompensieren.

Das durch diese Anlage ermöglichte synchronisierte Verbundsystem schafft hingegen auch die Grundlagen für den Ankauf eines nachhaltigeren Energie-Mixes sowie für eigene Stromexporte.

Ich begrüße es sehr, dass Nepal Teil der Partnerschaft für die Nationally Determined Contributions (NDC) ist, die von Deutschland mitinitiiert wurde!

Mit der NDC-Partnerschaft unterstützen wir Entwicklungs- und Schwellenländer dabei, Klimabeiträge in der Haushalts-, Wirtschafts- und Energiepolitik umzusetzen.

Die 2016 für Nepal gesetzten Klimaschutzziele werden derzeit aktualisiert. Und ich bin zuversichtlich, dass auch eine Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien am Energiemix zu den neuen Zielen zählen wird. Die nepalesischen Energieziele sind sehr ambitioniert. Die Regierung investiert selbst bereits massiv mit öffentlichen Mitteln in den Ausbau der Stromerzeugung und die Verbesserung der Infrastruktur. Angesichts der großen Herausforderungen ist aber auch die Gebergemeinschaft gefordert!

Deutschland und Nepal haben in der Zusammenarbeit im Energiesektor eine lange Tradition. In den 1980er und 1990er Jahren haben wir die beiden großen Kraftwerke Lower und Middle Marsyangdi maßgeblich mitfinanziert.

Heute haben wir den Schwerpunkt unserer Zusammenarbeit von den Großinvestitionen auf die Bereiche erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Übertragungsinfrastruktur verlagert. Ziel der Bundesregierung ist auch hier, einen Beitrag zu Armutsminderung, Wirtschaftswachstum und Minderung der Folgen des globalen Klimawandels zu leisten.

Wir fördern deshalb unter anderem dezentrale erneuerbare Energie. Damit auch Menschen in entlegenen Gebieten Zugang zu Strom bekommen!

Auch die deutsche Beteiligung an dem Multi-Geberprogramm Energising Development (En-Dev), das Kreditfinanzierungen für Kleinwasserkraftwerke und Netzausbau bereitstellt, dient diesem Ziel.

Ich freue mich deshalb, dass wir 2019 für den Bereich Solarkraft mit Mitteln der Deutschen Klima- und Technologieinitiative (DKTI) weitere sechs Millionen Euro Zuschussmittel zusagen konnten. Dies ist eine Ergänzung der neun Millionen Euro, die wir bei den Regierungsverhandlungen 2018 für solare Trinkwasser-und Bewässerungspumpen und netzintegrierte Solarkraftwerke zugesagt haben. Damit die Investitionen – öffentliche wie private – effektiv und nachhaltig sind, brauchen wir erstens politische Reformen für den Energiesektor.

Dabei nehme ich Deutschland, das sich gerade mitten in der „Energiewende“ befindet, bewusst nicht aus. Wir wissen um die Herausforderungen in diesem Politiksektor! Und wir wissen, wie wichtig es ist, die Reformhindernisse zu überwinden.

Und zweitens brauchen wir wirtschaftliche und rechtliche Anreize für Investitionen und Einsparungen! Private Haushalte wie Privatsektor sind hier gleichermaßen gefragt.

Ich möchte mich herzlich für die sehr gute und enge jahrzehntelange Zusammenarbeit mit uns, dem BMZ sowie mit KfW und GIZ, bedanken. Wir bleiben Ihnen als Partner erhalten! Ich schließe mit guten Wünschen für Sie alle: Dem nepalesischen Volk wünsche ich, dass die ehrgeizigen Energieziele möglichst zügig umgesetzt werden. Der Netzleitwarte Kathmandu wünsche ich, dass sie in den kommenden Jahren wachsende Strommengen aus nachhaltigen Energiequellen steuern wird! Und allen hier sage ich ein herzliches Happy Dashain!