9. September 2019 Rethinking Trade Facilitation
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie herzlich hier im Museum für Kommunikation zum ersten High-Level-Forum der Deutschen Allianz für Handelserleichterungen. Der Ort unseres Treffens ist passend gewählt: Denn Kommunikation – der Austausch zwischen Menschen, auch über weite Entfernungen und über Grenzen hinweg – ist ein Grundbedürfnis unserer menschlichen Existenz und zentrale Voraussetzung unserer heutigen Lebensweise. Auch Handel ist in diesem Sinne eine Form der Kommunikation, des Austauschs: Er ist Grundprinzip und wichtige Voraussetzung für Wirtschaften und Wohlstand in einer sich immer stärker vernetzenden Welt.
Dieses Grundverständnis von Handel als Kernelement menschlichen Miteinanders, als Voraussetzung der Entwicklung von Individuen, Unternehmen und Staaten, wird in letzter Zeit immer öfter in den Hintergrund gedrängt: Der Begriff „Handel“ ist zum Gegenstand ideologisch und geopolitisch aufgeheizter Debatten geworden. Heute sprechen wir sogar wieder von „Handelskriegen“.
Uns alle hier im Saal verbindet hingegen das Interesse, Handel zu ermöglichen – in einer Weise, die dem Menschen dient, die fairen Austausch ermöglicht. Für uns im BMZ gehört eine gerechte Gestaltung des Welthandels zu den zentralen Säulen unserer Entwicklungspolitik: Denn nur so lassen sich die Agenda 2030 für globale Nachhaltigkeit, aber auch unser Marshallplan mit Afrika umsetzen.
Eine aktuelle Untersuchung aus Ghana zeigt ganz klar: Je mehr Unternehmen – vor allem auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – in Export und Welthandel eingebunden sind, desto mehr Jobs können sie schaffen, desto höhere Löhne zahlen. Die ghanaischen KMU, die den Sprung in den Exportmarkt schafften, haben ihre Beschäftigung um durchschnittlich 15 Prozent steigern können.
Dafür ist aber zentrale Bedingung, dass alle die Chance haben, am weltweiten Handel teilzunehmen. Und alle müssen an den daraus resultierenden Wohlstandseffekten teilhaben können.
Der Abbau von Handelshemmnissen ist hierbei von großer Bedeutung. Insbesondere nicht-tarifäre Handelshemmnisse erschweren den grenzüberschreitenden Handel. Dass nicht-tarifäre Handelshemmnisse im letzten Jahrzehnt sogar für etwa 16 Prozent des ausgefallenen globalen Handels verantwortlich sind, konnte eine Studie des ifo-Instituts nachweisen.
Handelsbarrieren wie komplizierte Zollvorschriften und intransparente und oft korruptionsanfällige Verfahren treffen viele Entwicklungs- und Schwellenländer besonders hart. Hohe Transaktionskosten erschweren der einheimischen Wirtschaft den Zugang zu globalen Märkten.
Umgekehrt bestehen für internationale Unternehmen nur geringe Anreize, in ein Land mit nachteiligem Handels- und Investitionsklima zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Die Vereinfachung von Exportmöglichkeiten für lokale Unternehmen und die Verbesserung von Zollprozessen in Entwicklungs- und Schwellenländern stellt daher eine wichtige Stellschraube und ein großes Potential für deren wirtschaftliche Entwicklung dar.
Wir alle wissen: Ein Container, der drei Wochen im Zoll festhängt, verdient kein Geld. Warenströme sind die Schlagadern der Globalisierung, sind sie verstopft, droht der Infarkt. Hier setzt die Allianz für Handelserleichterungen an: Gemeinsam arbeiten wir daran, Handelskosten zu senken, indem wir Zollverfahren vereinfachen und beschleunigen.
Wir haben weltweit Partner gefunden – viele Staaten haben bereits den Mehrwehrt erkannt, den unsere Allianz liefern kann: Derzeit kooperieren wir unter anderem mit dem indonesischen Handelsministerium und bald auch mit Brasilien, Thailand und der Ukraine.
In abgeschlossenen Projekten sehen wir, dass der Ansatz der Allianz wirkt: Beispielsweise konnte in Montenegro und in Serbien durch Reformen ganz konkret Zeit eingespart werden: Die Anzahl der Expresslieferungen, die innerhalb einer Stunde vom Zoll freigegeben werden, konnte von ursprünglich 25 Prozent auf circa 55 Prozent mehr als verdoppelt werden. Dieses Beispiel soll Schule machen! Wir wollen die Aktivitäten der Allianz weiter ausbauen; neue, innovative Ansätze erschließen.
Digitalisierungsprozesse können dabei ein wichtiger Hebel sein. Beispielsweise arbeiten wir daran, eine integrierte Blockchain-Lösung zur Zollwertbestimmung für den marokkanischen Zoll zu entwickeln, um Daten-Transparenz und Vertrauen zwischen den relevanten Akteuren zu schaffen. Alle Akteure, also Mitarbeiter des Zolls, Händler und Logistikdienstleister, können Daten zu Warensendungen einsehen und nachvollziehbar digital bearbeiten. Dies erleichtert nicht nur den Zollabfertigungsprozess, sondern ist auch ein wirksames Mittel gegen Korruption und illegalen Handel.
So geht Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft! Aber wir können und wollen das nicht alleine stemmen. Deshalb ist die Allianz für Handelserleichterungen seit ihrem Beginn 2016 als Multiakteurs-Ansatz konzipiert: Unternehmen, Verbände und Regierungsinstitutionen aus Deutschland und Partnerländern arbeiten gemeinsam daran, bürokratische Hemmnisse abzubauen und das WTO-Abkommen über Handelserleichterungen umzusetzen.
Die Allianz engagiert sich dort, wo die Interessen von deutschen, internationalen und lokalen Unternehmen und Regierungen in Partnerländern übereinstimmen. Es geht darum, Mehrwert für alle zu schaffen – Mehrwehrt, der am Ende den Menschen nützt.
Mehr als 40 Unternehmen beteiligen sich bereits aktiv an der Allianz. Die Mobilisierung und der enge Einbezug des Privatsektors ist essentiell. Das enorme Know-how von Unternehmen zu Handels- und Zollprozessen leistet einen entscheidenden Beitrag bei der Umsetzung dieser Maßnahmen.
Unternehmen wie Deutsche Post/DHL, lieber Herr Ogilvie [Vorstand DHL], sind große Unterstützer der Initiative. Ich möchte Ihnen auch ganz besonders für das Zustandekommen der heutigen Veranstaltung in diesen wunderbaren Räumlichkeiten danken!
„RETHINKING TRADE FACILITATION“ lautet heute unser Motto: Dies ist ein Angebot an alle Partnerländer, Unternehmen, Wirtschaftsverbände, öffentliche Institutionen, und viele mehr, in innovativer Zusammenarbeit neue Lösungsansätze zu erschaffen und weiterzudenken. Die Deutsche Allianz für Handelserleichterungen bildet dafür den Rahmen. Die Allianz bringt die Stärken deutscher und internationaler Unternehmen mit Akteuren aus Wirtschaft und Politik in Partnerländern zusammen. Ich freue mich über diese gute Zusammenarbeit und bin dankbar für das Engagement von vielen von Ihnen in den Projekten der Allianz. Gemeinsam leisten wir einen wichtigen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung.
All jene, die noch nicht mit dabei sind, möchte ich ermutigen: Nutzen Sie die Chance! Machen Sie mit und bringen Sie Ihre Erfahrungen mit langwierigen Zollprozessen und intransparenten Verfahren in die Allianz ein; arbeiten Sie gemeinsam mit kompetenten Partnern an innovativen Lösungen. Beteiligen Sie sich in den Projekten der Allianz oder initiieren Sie neue Reformmaßnahmen mit.
Insbesondere Afrika ist ein Kontinent der Chancen, auch was den Handel betrifft. Die jetzt neu entstehende afrikanische Freihandelszone kann für eine ganz neue Dynamik sorgen, kann Afrikas Wirtschaft weit voranbringen, einen riesigen Markt ganz neu erschließen. Wir in Deutschland, in Europa dürfen diese Entwicklung nicht verschlafen! Aber gerade im Bereich der Handelserleichterungen wartet in Afrika noch viel Arbeit auf uns. Gemeinsam wollen und können wir die Herausforderungen angehen. Ich bin gespannt, welche neuen Lösungswege aus der heutigen Veranstaltung entstehen.
Vielen Dank!