UN-Bericht zur menschlichen Entwicklung Wachsende Ungleichheit und zunehmende Polarisierung werden zum Problem für uns alle
Der Bericht mit dem Titel „Den Stillstand durchbrechen: Zusammenarbeit in einer polarisierten Welt neu denken“ zeigt einen beunruhigenden Trend: Der Anstieg des globalen Index für menschliche Entwicklung (HDI) – ein zusammenfassendes Maß, welches das Bruttonationaleinkommen pro Kopf, die Bildung sowie die Lebenserwartung eines Landes widerspiegelt – ist sehr ungleich verteilt.
Nach einem starken Rückgang in den Jahren 2020 und 2021 hat der HDI im Jahr 2023 voraussichtlich einen neuen Höchststand erreicht. Jedoch ist dieser Fortschritt sehr unterschiedlich verteilt. Reiche Länder verzeichnen ein Rekordniveau an menschlicher Entwicklung, während die Hälfte der ärmsten Länder der Welt unter ihrem Entwicklungsstand von vor Beginn der Pandemie bleibt.
Globale Ungleichheiten werden durch teils starke wirtschaftliche Konsolidierung weiter verstärkt. Wie im Bericht aufgeführt, konzentrieren sich knapp 40 Prozent des weltweiten Warenhandels auf drei oder weniger Länder; und im Jahr 2021 überstieg die Marktkapitalisierung der drei größten Technologieunternehmen der Welt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von mehr als 90 Prozent der Länder.
„Der Bericht stellt fest, dass sich der zwei Jahrzehnte andauernde Trend einer stetigen Verringerung der Ungleichheiten zwischen reichen und armen Ländern nun umkehrt. Trotz unserer stark vernetzten globalen Gesellschaften sind wir aktuell im Rückstand. Wir müssen unsere gegenseitige Abhängigkeit und unsere Kapazitäten dafür nutzen, unsere gemeinsamen und existenziellen Herausforderungen zu bewältigen und sicherzustellen, dass Menschen ihre Ziele verwirklichen können“, sagte Achim Steiner, Leiter des UN-Entwicklungsprogramms. „Der aktuelle Stillstand verursacht ein hohes Maß an menschlichem Leid. Das Scheitern kollektiver Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels, von Armut und Ungleichheit oder bei der Gestaltung der Digitalisierung hindert nicht nur menschliche Entwicklung, sondern verschärft auch die aktuelle politische Polarisierung. Dies führt weltweit zu einem Verlust an Vertrauen in Menschen und Institutionen.“
Entwicklungsministerin Svenja Schulze: „Die Botschaft des UN-Berichts ist klar: Die Welt braucht mehr Zusammenarbeit, und sie braucht eine gerechtere Zusammenarbeit. Populistische Forderungen nach einem Rückzug ins Nationale gefährden unseren Wohlstand und unsere Sicherheit. Frieden und Wohlstand in Deutschland können wir nur mit starken internationalen Partnerschaften sichern. Die Entwicklungspolitik leistet dazu einen entscheidenden Beitrag. Der Bericht zeigt außerdem auf, wie extrem ungleich Entwicklungserfolge und Reichtum verteilt sind. Darum ist es wichtig, nicht nur über die Ärmsten zu sprechen, sondern auch über die Superreichen. Die Milliardäre dieser Welt müssen endlich mehr zu einer nachhaltigen Entwicklung der Menschheit beitragen. Eine globale Mindeststeuer für Superreiche wäre eine wichtige Chance für Gerechtigkeit und Entwicklung weltweit.“
Der Bericht argumentiert, dass die Förderung von gemeinsamem internationalen Handeln durch ein sich abzeichnendes „Demokratieparadoxon“ erschwert wird: Während 9 von 10 Menschen weltweit Demokratie befürworten, unterstützt zeitgleich mehr als die Hälfte der Befragten weltweit Staatsoberhäupter, welche grundlegende Regeln des demokratischen Prozesses missachten, wie aus den im Bericht analysierten Daten hervorgeht. Die Hälfte der weltweit befragten Menschen gibt an, keine oder nur begrenzt Kontrolle über ihr Leben zu haben, und mehr als zwei Drittel glauben, dass sie nur wenig Einfluss auf die Entscheidungen ihrer Regierung haben.
Auch die politische Polarisierung ist ein wachsendes Problem mit zunehmend globalen Auswirkungen. Gepaart mit einem Gefühl der Machtlosigkeit, so die Autorinnen und Autoren des Berichts, schürt sie nationale politische Ansätze. Diese stehen im Widerspruch zu der globalen Zusammenarbeit, die notwendig ist, um dringende Probleme wie die Dekarbonisierung der Wirtschaft, den Missbrauch digitaler Technologien und Konflikte anzugehen. Dies ist besonders alarmierend im Hinblick auf die Rekordtemperaturen des Jahres 2023, welche die dringende Notwendigkeit eines gemeinsamen Handelns zur Bewältigung der Klimakrise unterstreichen. Das gleiche gilt für den Aufstieg von künstlicher Intelligenz als neue und sich schnell entwickelnde Technologie mit nur wenigen oder keinen regulatorischen Leitplanken.
Der Bericht unterstreicht, dass Deglobalisierung in der heutigen Welt weder umsetzbar noch realistisch ist, und dass die wirtschaftlichen Verflechtungen weiter hoch bleiben. Der Bericht weist zudem darauf hin, dass keine Region auch nur annähernd in der Lage ist, sich selbst zu versorgen, da alle Regionen bei mindestens einer wichtigen Art von Gütern und Dienstleistungen zu mindestens 25 Prozent auf Importe aus anderen Regionen angewiesen sind.
„In einer Welt, die von zunehmender Fragmentierung und Uneinigkeit geprägt ist, stellt die Vernachlässigung gegenseitiger Investitionen eine ernsthafte Bedrohung für unser Wohlergehen und unsere Sicherheit dar. Mit protektionistischen Ansätzen lassen sich die komplexen, miteinander verknüpften Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht bewältigen, zum Beispiel Pandemieprävention, Klimawandel und digitale Regulierung“, so UNDP-Administator Steiner. „Unsere Probleme sind miteinander verflochten und erfordern integrierte Lösungen. Die Verabschiedung einer chancenorientierten Agenda, welche die Vorteile einer Energiewende und von künstlicher Intelligenz für die menschliche Entwicklung hervorhebt, gibt uns eine große Möglichkeit, den derzeitigen Stillstand zu durchbrechen und das Engagement für eine gemeinsame Zukunft neu zu beleben.“
Der Bericht schlägt konkret vier Bereiche für Sofortmaßnahmen vor, um die globalen Beziehungen neu zu gestalten:
- Schutz und Bereitstellung planetarischer öffentlicher Güter für mehr Klimastabilität, um den noch nie erlebten Herausforderungen des Anthropozän zu begegnen;
- Schutz und Bereitstellung digitaler, globaler öffentlicher Güter für mehr Fairness bei der Nutzung neuer Technologien für eine gerechte menschliche Entwicklung;
- Neue und umfangreichere Finanzmechanismen, einschließlich eines neuen Ansatzes in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, welcher humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit für Länder mit niedrigem Einkommen ergänzt;
- Abbau von politischer Polarisierung durch neue Governance-Ansätze, die darauf abzielen, die Stimmen der Bürger*innen in Beratungen stärker zu berücksichtigen und Fehlinformationen zu bekämpfen.
In diesem Kontext spielt Multilateralismus dem Bericht zufolge eine zentrale Rolle, da bilaterale Engagements nicht in der Lage sind, die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter hinreichend zu gewährleisten.
Weitere Schlüsseldaten aus dem 2023/2024 Bericht
- Im Jahr 2023 haben alle 38 Länder, die der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angehören, höhere Werte beim Index für menschliche Entwicklung (HDI) erreicht als im Jahr 2019.
- Von den 35 am wenigsten entwickelten Ländern (Least Developed Countries), die 2020 und/oder 2021 einen Rückgang ihres HDI verzeichneten, haben mehr als die Hälfte (18 Länder) immer noch nicht das vorherige, höhere Niveau ihrer menschlichen Entwicklung von 2019 erreicht.
- Alle Entwicklungsregionen haben ihr erwartetes HDI-Niveau auf der Grundlage des Trends vor 2019 nicht erreicht. Es scheint, dass sie auf einen niedrigeren HDI-Pfad eingeschwenkt sind, was auf mögliche dauerhafte Rückschläge auch bei künftigen Fortschritten in der menschlichen Entwicklung hindeutet.
- Die Auswirkungen von Verlusten in menschlicher Entwicklung sind in Afghanistan und in der Ukraine besonders deutlich. Afghanistans HDI fiel um schockierende zehn Jahre zurück, während der HDI der Ukraine auf seinen niedrigsten Stand seit 2004 fiel.
- Der HDR Bericht zitiert Studien, die zeigen, dass Länder mit populistischen Regierungen niedrigere BIP-Wachstumsraten haben. 15 Jahre nach Amtsantritt einer populistischen Regierung liegt das Pro-Kopf-BIP um zehn Prozent niedriger als unter einer nicht-populistischen Regierung.
Den vollständigen Bericht lesen Sie hier (Externer Link).
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